Nana Mouskouri wird 80 – und sie ist eine der zehn erfolgreichsten Sängerinnen aller Zeiten
Schwarze Brillen aus Athen: Nana Mouskouri war nie jung und wird deshalb auch nie alt. Neben Madonna und Barbra Streisand ist sie die erfolgreichste Sängerin der Welt. Jetzt wird die Lieblingsgriechin der Deutschen 80 Jahre alt. Ein Beitrag aus "Welt Online"
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„Schwarze Brillen aus Athen“, ein Beitrag aus Welt Online
Würde meine eben achtzig Jahre alt gewordene Mutter ihre Weltsicht noch auf Amy Winehouse erweitern? Eher nicht. Die Sängerin Nana Mouskouri, die heute achtzig Jahre alt wird, hat eben das getan und letzten Sonntag im Berliner Admiralspalast Amys „Love Is a Losing Game“ gesungen. Mit gläsern spröder, faszinierender Stimme. Und sie wird es heute, am Geburtstagsabend, den sie als fleißiges Arbeitsbienchen in Hamburg auf der Bühne feiert, sicher wieder tun.
Vielleicht, weil Amy Winehouse seit drei Jahren tot ist, keine Gefahr mehr von ihr ausgeht? Nana Mouskouri jedenfalls war nie gefährlich, aber sie war immer da, als verlässlich tönende Klangtapete. Seit fünfzig Jahren. Sie ist neben Barbra Streisand und Madonna die erfolgreichste Sängerin, sie hat 250 Millionen Platten verkauft. Anders als die beiden Primadonnen ist sie weder eine noch hat sie dem im Showbiz üblichen Rausch der Verwandlung, dem Drang zur Verjüngung nachgegeben.
Schon die 27-Jährige, die 1961 in einem Berliner Tonstudio in den Ruinen des „Esplanade-Hotels“ am Potsdamer Platz ihren späteren Welthit über die „Weißen Rosen aus Athen“ aufnahm, deren Duft ewig an ihr kleben bleiben sollte, war alles andere als modisch. Ihren Look freilich, den Mittelscheitel mit der Außenwelle, die gar nicht Schlager-liken Augengläser, hat sie sehr clever in ein Markenzeichen verwandelt, das schnell klassisch war und immer wieder trendy wurde.
Nana Mouskouri hat ebenfalls das Copyright auf schwarze Brillen aus Athen (angeblich besitzt sie mehr als 100 davon), immer wieder leicht variiert, aber eigentlich gleich. Sie wurden mal als Kassengestell geschmäht, dann wieder als Nerd-Accessoires zum Kult erklärt.
Vor zwölf Jahren konnte die inzwischen dritte Generation von Mouskouri-Zeitgenossen über eine CD mit Standards des Great American Songbook staunen. Die Aufnahmen waren einst von Quincy Jones in New York produziert worden. Mit dem Untertitel „The Girl From Greece Sings“ kommt Nana hier unheimlich cool und sehr ladylike rüber, schlängelt sich durch „Smoke Gets in Your Eyes“ und „Love Me or Leave Me“.
Und wenn sie ganz leise, unterkühlt erotisch mit ihrem feinen Schmirgelpapier-Mezzo klagt: „Hold Me, Thrill Me, Kiss Me“, dann möchte man dem sofort nachkommen. Nicht nur in den traurigen kleinen Stunden am Morgen.
Nana Mouskouri, am 13. Oktober 1934 in Chania auf Kreta geboren, wollte, dem Vorbild ihrer großen Landsmännin Maria Callas folgend, zunächst Opernsängerin werden. Sie studierte acht Jahre lang in Athen Gesang, Klavier und Harmonielehre. Dann aber infizierte sie sich unheilbar mit dem Jazzbazillus.
Den Konservatoriumsabschluss ließ sie sausen. Der Komponist Manos Hadjidakis wurde ihr Mentor, sie sang dessen Folkloreschlager und Chansons zum Erfolg. 1958 erschien ihre erste griechische Single. Mehr als 1500 weitere Titel folgten über die Jahrzehnte. Sie heiratete 1960 ihren Kapellmeister, bekam zwei Kinder, ließ sich 1976 scheiden. Seit 2003 lebt sie mit dem zweiten Ehemann André Chapelle abwechselnd in Genf und Paris.
Melina Mercouri hat den Sex ungemachter Bettlaken in der Stimme. Maria Farantouri war die rechtschaffen linke Muse von Mikis Theodorakis. Die politische Nana Mouskouri aber, zwanzig Jahre während der Militärdiktatur in Griechenland Persona non grata und 1994–99 im Europaparlament, die klang nicht nur sauber, sondern rein und aprilfrisch.
Chrònia pollá, Nana!
Besonders bei den Deutschen, ihrem treuesten Publikum. Ähnlich wie die hier zur Schlagertante reduzierte Caterina Valente konnte die Mouskouri nur einen Bruchteil ihrer Talente zeigen. Die in sechs Sprachen Versierte und in sechs weiteren Singende ließ sich freilich, ohne mit der Wimper hinterm Brillenglas zu zucken, auf Urlaubsklebrigkeiten wie „La Provence“ und anderes Ohrenschmalz ein. Sie kam selten in die Hitparaden. Aber sie veröffentlichte stetig, fast im Jahresrhythmus, neue Alben mit wirklich jeder möglichen und bisweilen auch unmöglichen Art von Liedern und schaute regelmäßig auf Tournee vorbei.
So wurde sie, auch im Zuge der steigenden, vom „Griechischen Wein“ des gleichaltrigen Udo Jürgens noch geschmierten, bis vor wenigen Wirtschaftskrisenjahren heiß blühenden Hellas-Sehnsucht der Deutschen, neben und weit vor Vicky Leandros zur Lieblingsgriechin hierzulande. Sie, ihre Erscheinung und Stimme, sie sind längst kultureller Bodensatz, Vokalinventar. Jeder kennt sie. Funny van Dannen durfte sich über sie sanft lustig machen („Gib es zu, du warst im Nana-Mouskouri-Konzert“). Keiner mag sie missen.
Sie vergewaltigte sogar Beethoven und Verdi, aber sie schwebte dank ihrer charaktervollen Stimme über allen Geschmacksniederungen. Zudem hat sie das Kunststück vollbracht, nie alt werden zu können, weil sie nie richtig jung war. Chrònia pollá, Nana!