Neu im Kino

„Clueless“ von Amy Häckerling

ab 2. November KIDS

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„Kids“ von Larry Clark

ab 9. November

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Beavis & Butt-Head sind feige, feist und fies. Der eine trägt ein T-Shirt von Metallica, der andere eines mit dem Aufdruck AC/DC. Gemeinsam sehen sie sich jede Woche auf MTV die miesesten Musikvideos an. Sie schnaufen sucks und grunzen cool, und sie pflichten sich belustigt gegenseitig bei, indem sie ein geiferndes Hecheln ausstoßen und ihre Schädel schütteln. Dann trotten sie auf die Straße, nerven Nachbarn, treiben Polizisten und Militärs ins Koma, quälen Tiere und zünden kleine Mädchen an. Beavis & Butt-Head sind Comic-figuren und als solche ein Zerrbild der Wirklichkeit, so wie auch polttical correctness die Fakten schönt. Moralische Plädoyers helfen nicht, selbst Schläge halten beide nicht davon ab, weiterzumachen wie bisher. Sie haben weder Scham noch Angst – und letztlich auch keinen Spaß. Ihr Gemüt ist von totaler Gleichgültigkeit, und ihre morbiden Märchen sind ein zynischer Satire-Schock über den Alltag vieler amerikanischer Jugendlicher.

Telly (Leo Fitzpatrick) und Casper (Justin Pierce) sind Beavis & Butt-Head. In „Kids“ zeigt Larry Clark die halbwüchsigen Freunde mit ihrer Skater-Gang an einem Tag beim Schwatzen, Sex, Saufen, Stehlen und bei Schlägereien. Mit der Handkamera verfolgt der Regisseur ihren Streifzug durch New York. Die Bilder sind derart nüchtern und nah, daß sie der Langeweile der „Kids“ entsprechen und sogartig zum Entsetzen über das Geschehen rühren. Das Drehbuch

schrieb ein 21jähriger Debütant, die Darsteller sammelte Gark von der Straße auf. Reality bites.

Auf der geographisch und gesellschaftlich anderen Seite Amerikas pflegt Alicia Silverstone ihre pubeilären Probleme mit Kreditkarten, Kalorien und Klamotten. Die Nymphe aus dem Aerosmith-Videoclip „Crazy“ spielt in Amy Heckerlings „Gueless“ die lojährige Cher, die High-Society-Prinzessin einer Handy-Gang an einer High School von Los Angeles. Im Gewann einer romantischen Hollywood-Komödie entpuppt „Clueless“ eine hinterhältige Ironie: bezaubernd anzusehen, amüsant und charmant gleiten Krisen und andere Kleinigkeiten der Konsum-Kinder in den Offenbarungseid.

„Kids“ und „Gueless“ sind Teenie-Filme, die selten zu Kontroversen taugen. „Kids“ aber spaltet im stilistischen und inhaltlichen Gegensatz zu „Oueless“ die Kinokritiker und Amerika. Manche sehen in „Kids“ aufrüttelnde Authentizität, andere pädophile Phantasien und „Oueless“ als Warnung. Und allen geht es wieder einmal um die verlorene Unschuld der Jugend.

„Kids“ beginnt mit einem Kuß. Telly, ein 17jähriger Schlacks, sitzt halbnackt auf dem Bett mit einem Mädchen, das etwas jünger und offensichtlich Jungfrau ist. Zunächst wirkt die Szene so unschuldig und unbeholfen wie jene Fotos auf den Sexualkunde-Seiten der Teenager-Bibel „Bravo“. Minutenlang sieht die Kamera ihnen zu, die Stille beklemmt, bis Telly das Unausweichliche ausspricht: „Du weißt, was ich will?“ Sie nickt zögerlich und antwortet: Ja, du willst mich ficken.“ Sie bittet ihn um Vorsicht, er verspricht, es werde wunderbar. Doch Telly kennt keine Zärtlichkeit, und unter dem Knarzen des Bettes verstummt jede Sinnlichkeit. Er trägt weiße Socken und kein Kondom.

Für Telly ist Sex eine Wette, die Triebfeder seines Daseins. Es geht ihm nicht um Gefühl, nicht einmal Befriedigung, sondern es gibt ihm eine Funktion – so wie andere zur Schule gehen. Telly sammelt Jungfrauen, die er Kirschen nennt, und nach jeder Ernte läßt er Casper am Finger riechen. Casper hat das erste Mal noch vor sich, für Telly ist es bald das letzte Mal: Er hat Aids, weiß es aber nicht. Jeannie (Qiloe Sevigny), von ihm infiziert, hat es gerade erfahren und sucht ihn. Sie irrt durch Techno-Läden, vorbei an Grunge-Glamour und Girlies von androgynem Oiic, trifft Freunde, die wie Strichknaben in der Bude hocken, über Sex und Skateboards reden, Crack rauchen und wie Ratten einen Passanten niedertreten. Als sie Telly findet, entjungfert er ein Opfer. Müde sinkt Jeannie auf ein Sofa. Casper geht zu ihr, zieht ihren Slip aus, steigt auf sie und stöhnt: Jesus, was ist passiert?“ Es ist ein desperater Moment, an dem Sprache fast versagen muß und Eltern nicht existieren, weil alles zu spät ist. Die Ambivalenz aus Agonie und Amourösität polarisiert. Tabu, Tristesse, Tod. Und immer pocht ein Rap-Beat.

„Gueless“ führt mit „Kids In America“ von Kim Wilde in die Welt der Beverly Hiüs-Teenies ein. Cher fahrt einen Jeep, stellt ihre Kleidung vor dem Wandschrank am Computer zusammen und trifft ihre Freundin Dionne (Stacey Dash) auf dem Schulgang, mit der sie gerade übers Handy telefoniert. Sie plappert Phrasen, aber eloquent, und verkuppelt Leute, die sie auf ihre Linie eicht. Ein perfektes Outfit ist für die Luxus-Lolita wie ein Orgasmus, sie bemerkt jedoch nicht, daß ihr Schwärm schwul ist. „Queless“ handelt von süßen Nichtsnutzigkeiten und virtuellen Gefühlen.

Der Materialismus der blauäugigen Babes in der „Gueless“-Oique ist trostlos wie der Nihilismus der „Kids“. Kommt Amy Heckerling durch Übertreibung der Wirklichkeit nahe, ist Larry Clarks Realitätsnähe trotz allem zur Untertreibung verdammt. „Queless“ gönnt Gier Erlösung durch Erkenntnis, weshalb die „Beverly Hills 90210“-Generation neidvoll Alicia Silverstone zusehen und „Kids“ meiden wird. Zwei didaktische Teenie-Filme für Erwachsene.

Oder Zielscheiben für Beavis & Butt-Head.

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