16 Horsepower – Sackcloth’n’Ashes
Der Ritt in die Finsternis beginnt mit einem Trommelwirbel. Die Gitarre erklingt, als setze sich der Karren eines Totengräbers in Bewegung, und eine Stimme hebt beschwörend an: „Then I climbed on the big horse strapin’/ Put the spur down to blood/ He took of 16 horses strong/ Left me lyin‘ in the mud.“ Das Stück heißt „I Seen What I Saw“ und ist ein Blick ins Bodenlose, aus dem nur leblose Augen zurückstarren. Sänger David Eugene Edwards gedenkt darin den schaurigen Erlebnissen, denen ihn seine Großmutter aussetzte. Die stets in schwarz gehüllte Glaubensfrau hatte die nekrophile Neigung, mit den Toten Zwietracht zu halten. Seit sie den Jungen in ein Leichenschauhaus zerrte, um ihn von jeder Versuchung abzuschrecken, hat für Edwards der Tod die physische Präsenz verloren: „Tve gotta home in a glory land.“
16 Horsepower sitzen bibelfest im Sattel, wenn sie wie Wanderprediger durch die Weite, Tragik, Sehnsucht, Gewalt und Zerissenheit von Gottes eigenem Land galoppieren. Das Trio aus der Provinz Colorado musiziert zwischen Himmel und Hölle – also um seine Seele. Die Lieder vibrieren wie Fieberträume, die Lyrik ringt mit Sünde und Sühne, Vergeltung und Vergebung. „Every man is evil, yes, and every man a liar“, singt Edwards in „Black Soul Choir“. Und in „Heel On The Shovel“ jault er voller Pein: „The one who kissed ‚em was greed/ Oh, everyone will see, everyone will know/ Boy, you reap what you sow/ I’m diggin‘ you a shallow grave.“
Das Grab der anderen ist für Edwards aber immer auch das eigene Grab: „I still love the woman of my youth/ The Lord on my half pray’s/ He’s with me even in harm’s way.“ „Sackcloth’n’Ashes“ ist das Alte Testament nach Noten, und 16 Horsepower spielen dazu eine Musik, die an Anachronismus von keinem gestrigen Country-Barden zu überbieten ist. Mit Steel Guitar, Standbaß und Schlagzeug musizieren sie wie einst Farmer und Rinderhirten der Jahrhundertwende. Trotzdem sind es keine Lagerfeuerlieder. Es zieht sich ein Pesthauch durch die Platte, ehrfürchtige Verzweiflung und erhebende Alpträume, die an Nick Cave And The Bad Seeds, Hank Williams und Jeffrey Lee Pierces Gun Club gemahnen. Selbst wenn Banjo und Fiddle zum Square dance aufspielen, gebieten Edwards atemlos keuchende Passionsgesänge über jede Gemütlichkeit. Zuletzt gab Johnny Cash auf „American Recordings“ den dunklen Prediger. Und wo die Walkabouts in ihren Traditionais noch eine Hoffnung reflektieren, ist auf „Sackcloth’n’Ashes“ alles Evidenz und Exzorzismus. Country, Hillbilly, Folkrock und Blues sind für 16 Horsepower der einzige Ausdruck ihrer spirituellen Schauerfabeln. In ihrer Kohärenz aber sind sie dem Punkrock näher als Nashville. Den Goliath Garth Brooks würden die drei Gralsreiter von der Bühne blasen.
Bevor Edwards mit Jean-Yves Tola und Keven Soll als 16 Horsepower auszog, um das Fürchten zu lernen, arbeitete er in Hollywood auf einem Drehset des Regisseurs und Produzenten Roger Corman. Auch seine Lieder vom Tod, die das Leben meinen, entstehen „in a cinematic way, very visual in my head“. Sie eignen sich als Soundtrack zu „Pale Rider“ oder „Unforgiven“ von Clint Eastwood, Legenden von finsterer Poesie und schwarzen Mythen. „These things I do are wrong, that’s all/ And these tales I tell are tall.“ Es sind Stories und Songs unterm Galgenbaum, erzählt als archaische Allegorien, gespenstische Gleichnisse und makabre Moritaten. Die Songs klingen wie Stoßgebete, die Zeilen ähneln Psalmen. Elegisch und unheilschwanger spielt Edwards in „Harm’s Way“ auf seinem Bandoneon, um dann fatalistisch auszurufen: „Yep Yey!“
16 Horsepower wissen: Wer in den Himmel will, muß durch die Hölle und sollte dafür verdammt gut reiten können.