4,0 The Coral Roots & Echoes

Lustig zu lesen, auf dieser Platte klängen The Coral „älter und weiser“, da sie doch immer schon so klangen, als wären ihre Lieder mindestens 40 Jahre alt. Und dabei ist keiner der Musiker älter als 26. Das erste Album erschien aooa: ein Retro-Virus, das den Merseybeat wieder virulent machte. Nun gibt es Bands wie The Holloways und The Bishops, die mit ähnlicher Authentizitätswut und Nostalgieseligkeit den Sound des vergangenen Britannien beschwören. Die besten Songs hat aber noch immer diese Band aus Liverpool.

Für elegische Popmusik dieser Sorte war Ian Broudie der richtige Produzent, doch die Studiokosten stiegen angeblich so alarmierend, dass The Coral das Angebot von — ausgerechnet — Noel Gallagher annahmen, in dessen Studio zu produzieren. Gallagher selbst hat ja kaum noch Verwendung dafür. Die Besinnungs- und Gedenkarbeit von James Skelly mag bizarre Züge haben, aber wie er aus Jingle-Jangle-Gitarren und altertümlichen Orgeln gleich das gesamte Ambiente von Ge rry &? The Pacemakers, den Shadows, den Walker Brothers und Dimitri Tiomkins Filmmusiken nachbaut, das ist schon eineerstaunliche Adaptionsleistung. „Burt Bachararch!“ hört man oft in diesem Zusammenhang, auch „Brill Building!“. Aber viel näher sind die frühen britischen Filme mit Richard Burton, Michael Caine und Richard Harris und die Anfänge der Beatles, also unbedingt vor 1964. „Roots And Echoes“, das ist es: Hall und Pathos, Gitarrenbimmeln und Harmoniegesang gehören zum Herzergreifendsten, was die kregle britische Popmusik in diesem Jahr hervorgebracht hat. Melancholie perlt hier wie ein seltenes und exquisites Gut in Stücken wie Jacqueline“ und „Not So Lonely“, aber natürlich haben The Coral auch den Schmiss einer Jugendbande und den Optimismus und Trost einer ganz jungen, altklugen Liebe wie in dem fantastischen Stück „Cobwebs“: „There’s a place where the music plays/ He meet her there at the end ot the day.“ Diese Musik geht zurück hinter die giftigen Idyllen, die Randy Newman 1968 in Liedern wie „Love Story“ gesät hatte, nach denen Kirmes und Pier als Orte der kitschigen Verlogenheit entzaubert waren.

The Coral reinstallieren die Welt von Unschuld und Sehnsucht, mit Mädchennamen in Songtiteln und dramatischen Streichern, die sauberes Begehren verheißen. Es gibt natürlich kein sauberes Begehren.

Umso größer und schöner ist die Kunst von The Coral. (RED INK/ROUGH TRADE)

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