45 RPM von Wolfgang Doebeling
Die Beatles und die Stones hatten den direkten Kräftevergleich immer tunlichst vermieden und die Veröffentlichungsdaten ihrer Singles so koordiniert, daß sie beim Charts-Rennen einander nie in die Quere kamen. Der Nimbus beider Bands blieb so gewahrt: teile und herrsche. Ein Prinzip, das den beiden momentan populärsten Brit-Combos fremd zu sein scheint In ihrer unendlichen Weisheit bringen BLUR und OASIS ihre neuen 45’s am selben Tag heraus, weil sich beide vom Charts-Spieglein eine günstige Antwort auf die Frage erhoffen, wer denn nun die Größten sind im ganzen Land. Gemessen an den beiden Singles kann die Antwort nur lauten: Oasis. Ihr „Roll With It“ (Creation/Sony) hat womöglich nicht ganz die Klasse von „Some Might Say“, doch sind die Riffs wieder von magischer Kraft, der Refrain ist mitreißend und die ganze Aufnahme ist, erst mal ins Rollen gebracht, absolut unaufhaltsam. 4,0 BLUR verlieren das Prestige-Duell, obwohl auch „Country House“ (Food/EMI) nicht unerhebliche Singalong-Qualitäten besitzt und in seiner Kinks’schen Simplizität an die besten Cuts von „Parklife“ anknüpft. 3,5 Außer Konkurrenz, aber gleich mit zwei neuen Singles, treten die TINDERSTICKS an: „Travelling Light“ (This Way Up), schon auf ihrer letzten LP einer der herausragenden Tracks, klingt hier in der instrumental reduzierten, quasi entblößten Fassung noch intensiver. Stuart Staples‘ tiefe, taumelnde Stimme und der leicht vibrierende Alt Carla Torgensons sind wie füreinander geschaffen, und diese Ballade ist herzzerreißend. Mit einer schön getragenen Version von Otis Reddings „Tve Been Loving You Too Long“ bietet die B-Seite zudem noch einen Leckerbissen. 4,5 TINDERSTICKS zum zweiten: „Here“ (Sub Pop) ist im Original von Pavement. Das ist ein bißchen so, als würde Scott Walker einen Song von Julian Cope covern. Daß es trotzdem funktioniert, liegt weniger am Material, das zum Glück die üblichen Pavement-Flippigkeit vermissen läßt, sondern am kompromißlosen Eintauchen der Tindersticks, die etwas Ureigenes daraus zaubern. 4,0 Bleiben wir gleich bei JULIAN COPE: „Try Try Try“ (Echo) ist sein erstes Lebenszeichen seit Jahren und, bei allem Wohlwollen, mehr als enttäuschend. Zu glatt, zu konformistisch, zu ideenlos, zu leichtgewichtig. Try again.2,5 Besonders hübsch und ganz unverschämt eingängig ist die neue Single der WANNADIES aus Schwedens Norden, die mit dem „You And Me Song“ (Indolent) ein weiteres perfektes Vehikel für ihren bittersüßen Jingle-Jangle-Harmony-Pop geschaffen haben. 4,0 Wenn SUGGS solistisch tätig wird, darf man auf muntere, Madness-inspirierte Musik hoffen. „I’m Only Sleeping“ (WEA) aus der Feder von Lennon/McCartney ist vom Nutty-Sound allerdings kaum angekränkelt. Stattdessen haben sich Sly 8C Robbie, das Routine-Team an den Controls, für faden Raggae der Marke UB40 entschieden. Dabei war Suggsy einmal soooo cool. 2,5 Ein Groove ist noch kein Wert an sich. TRICKY weiß das. Der Genius aus Bristol (Eigenwerbung) setzt auf Atmosphäre und die ist auf „Hell Is Round The Corner“ wie auch auf den anderen Tracks der „Hell EP“ (Island) adäquat psychotisch und äußerst beunruhigend. „A lobotomy ensures my good behaviour“, versichert er über kataklysmische Klangbilder. Schauderhaft schön, höllisch gut. 4,0 Gar lieblich sind die RANCH GIRLS, zwei Hillbilly-Gören aus Holland, die ihren süßen Stimmchen um einen Hank Williams Song schlingen: „Kaw-Liga“ (Home Brew), die rührende Geschichte vom hölzernen Indianer, dem das Leben übel mitspielt, ist mit seinem Novelty-Charakter sicher eines von Hanks frivolenen Stückchen und gewinnt durch die passend possierliche und stilsichere Behandlung. Swell! 4,0