Architecture in Helsinki – In Case We Die

Wären diese überdrehten Australier Schulkindern, müßte die Klassenlehrerin sie zum Arzt schicken. Der ließe sich milde lächernd die Leidensgeschichte von Pädagogen und Erziehungsberechtigten schildern, würde dann erklären, daß man es hier mit der Konzentrationsschwäche ADS zu tun hat und den Rezeptblock zücken.

Weil Architecture In Helsinki aber anderslautenden Gerüchten zum Trotz durchaus erwachsen sind, ist ihnen die Behandlung mit Sedativen bislang erspart geblieben. Stattdessen hat die hyperaktive Rasselbande aus Melbourne eine ulkige Wundertüte von Album namens „In Case We Die“ fabriziert.

Schon Stück Nummer eins, „Neverevereverdid“, verpetzt die acht Multiinstrumentalisten als Leute, die schnell die Geduld verliert. Wie da Chöre, Blechbläser und singende Sägen herumkullern, der Pop sich zwischen Kirchenliederfetzen und Arienfragmenten ständig neue Verstecke sucht und sich zig Melodien um unsere Aufmerksamkeit balgen, ist unerhört. Und so geht es weiter: „It’s 5!“ zappelt lustig einem Abzählreim hinterher, und nachdem eine Tuba in „Tiny Paintings“ schüchtern mal kurz Luft holt, gibt sich „Wishbone“ als das fröhliche Lieblrngslied vom Kindergarten um die Ecke zu erkennen – die ersten vier Stücke auf dem Album fühlen sich wie mindestens 25 an und hauen einem so viele Melodien um die Ohren, daß man in diesem Winter wohl keine weiteren mehr braucht.

Dazu ‚wird auf „In Case We Die“ aus allen Ecken getrötet und getrommelt, gedudelt und krakeelt, ständig kramen die acht Spielkinder unter wummernden Wurlitzer-Harmonien, Gitarrenakkorden, Synthiegefiepe und Kontrabaßlinien niedliche Blasinstrumente und Samples hervor.

Architecture In Helsinki toben sich mit dem Nachfolger von „Finger Crossed“ (2002) auf dem gleichen Pop-Abenteuerspielplatz aus, den früher schon Bands wie 10cc und They Might Be Giants mit kurzatmigen Kuriositäten unsicher gemacht haben. Allerdings mit einem noch kindlicheren Gemüt. Bei „Do The Whirlwind“ etwa zwängen sich die Multiinstrumentalisten in den Discofunk-Glitterdress, bei „Need To Shout“ geht’s mit Steel Drums in den Dschungel. Und falls der Doktor mit den Haldoltropfen doch noch kommt, laufen sie hoffentlich ganz schnell weg.

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