Aretha Franklin :: One Lord, One Faith, One Baptism
Als Aretha Franklin 15 Jahre nach ihrem epochalen „Amazing Grace“-Album wieder in die Kirche zurückkehrte und mit Mavis Staples, den Mighty Clouds Of Joys und ihren Geschwistern in Erinnerung an ihren kürzlich verstorbenen Vater das Lob des Herrn sang, wollte das kaum jemand hören. Unter der Anleitung von Clive Davis war die „neue“ Aretha – die von „Who’s Zoomin‘ Who“, „Sisters Are Doin‘ It For Themselves“ und dem im Duett mit George Michael gesungenen „I Knew You Were Waiting (For Me)“ – im allgemeinen Bewussstsein eher eine Disco- denn eine Souloder Gospel-Queen. Und zu dem neuen Image passte so überhaupt nicht, dass sie bei der Gelegenheit so inbrünstig Gospel-Traditionals vortrug.
Mag auch sein, dass mancher bei der Doppel-LP die politischen Ausführungen des Präsidentschaftskandidaten Rev. Jesse Jackson nach der verlorenen Wahl etwas nervig fand. Die ganze clevere Polit-Rhetorik seiner wohleinstudierten Wahlrede passte nicht so recht in diesen Gottesdienst-Rahmen. Am Ende redete er sich da richtig in Ekstase – das Weiße Haus fester im Auge als die Gemeinde vor ihm.
Die war an den Abenden aber gekommen zu feiern, und das tat sie dann auch im weiteren Verlauf des Gospel-Fests. Mit Aretha groß in Form bei „Higher Ground“, einem beseelt singenden Duett-Partner Joe Ligon bei „I’ve Been In The Storm Too Long“ und dem optimistischen „Packing Up, Ready To Go“ als rauschendem Finale. Als Bonus gibt’s bei der Remaster-Ausgabe vier unveröffentlichte Mitschnitte jener drei Abende, die – knapp eine halbe Stunde lang – seinerzeit nicht ins Vinyl-Format passten. Das sind einige der besten überhaupt, vor allem – ein Duett mit Mavis Staples – „Father, I Stretch My Hands To Thee“, gut zwölf Minuten mehr himmlisches und auch irdisches Glück, als Rev. Jackson versprach.