Beth Orton – Trailer Park
Manche Platten altern besser als andere. Gelegentlich ertappt man sich bei dem Gedanken, dass man bestimmte irgendwie überschätzte, dann wieder dämmert die Erkenntnis, dass man das eine oder andere Album womöglich doch verkannte.
Im Fall von Beth Ortons Langspiel-Debüt darf man auch schon mal hin und her gerissen sein. Der ganze elektronische Zierrat hier —- von synthetischem Bombast bis zu bis zu den Dub-Effekten von „Galaxy Of Emptiness“ zum Schluss — nervt öfter ziemlich beim Wiederhören. Computer-generierte Klangereignisse (um das mal so zu formulieren) überwuchern Songs, die man gern mal skelettiert und auf ihre Akustik-Folk-Essenz reduziert hören würde. Nur schwer nachvollziehen kann man nachträglich, wieso ausgerechnet Miss Orton – erklärtermaßen einer der größten Fans von Nick Drake – einen Song wie „Don’t Need A Reason“ mit derart massierten Streichern überfrachten ließ.
Ohne den ganzen Elektronik-Schnickschnack wäre „Tangent“ eine genauso betörende Folk-Ballade wie „Whenever“. Die Pop-Exkursionen („How Far“ mit Girl-Group-Pop-, „Live As You Dream“ mit Motown-Soul-Anklängen) haben mit den Jahren nur noch mehr zeitlosen Charme gewonnen, und auch der Ohrwurm „Someone’s Daughter“ kommt bestens ohne diese ganzen überflüssigen Ideen aus, mit denen Andrew Weatherall etliche Songs unbedingt zeitgeistig klingen lassen wollte. Beider Aufnahme der Ronettes-Vorlage „I Wish I Never Saw The Sunshine“-der Jeff Barry/ Ellie Greenwich/Phil Spector-Klassiker als melancholisches Folk-Lamento umgedeutet, gegen jeglichen Zeitgeist gesungen und die so ziemlich größte Interpretation der ganzen Platte überhaupt — fragt man sich, wieso die junge Dame mit dieser wunderbaren Stimme damals nicht auf dieselbe Idee wie wenig später Cat Power kam und ein ganzes Album als Cover-Girl bestreiten mochte.
Hier wie auch anderswo beginnt man zu grübeln, wie wohl etliche der Songs remixed ohne die unnötigen, seinerzeit sicher als ganz toll betrachteten production values klingen würden. Solche präsentiert die Deluxe-Edition auf der Bonus-CD nicht (in den Liner Notes wird auch nicht erläutert, warum sie ausgerechnet jetzt vorgelegt wird). Dafür ihre Deutung von Bobby Blands „It’s Not The Spotlight“ nur sich selber mit akustischer Gitarre begleitend, den Pop-Evergreen „I Love How You Love Me“ in vergleichsweise spartanischer Produktion und Fred Neils „The Dolphins“ in ganz wunderbarem Duett mit Terry Callier. „Galaxy Of Emptiness“ live ohne die ganzen sinnlosen Klimmzüge der Studioversion! Außerdem diverse Outtakes, die es damals nicht auf das Album schafften (die Liner Notes schweigen sich darüber so demonstrativ wie unverständlich aus) wie das von ihr nicht geschriebene, von Herrn Weatherall effekthascherisch produzierte „It’s This I Am Find“, vier eigene ohne TripHop-Beiwerk auskommende Songs und Terry Calliers „Lean On Me“ im Duett mit demselben. Das war nicht nur ihre Hommage an Callier, sondern auch als eine an den von ihr sehr geschätzten Folk-Kollegen John Martyn zu verstehen.
Miranda Sawyer ist in ihren Liner Notes der festen Überzeugung, dass Andrew Weatherall bei den drei Aufnahmen, die man ihm neu abzumischen antrug, eine ihm ganz eigene Magie walten ließ. Sie hat offensichtlich eine ziemlich ausgefallene Vorstellung von Magie.