Ezio – Diesel Vanilla :: Universal
Details sind was Wunderbares. Details und Menschen. Das kaputte licht im Hetrenklo der Dancehall, der Lärm von Fernsehern durch offene Fenster am hellichten Tag, die Geste, mit der die spanischen Jungs ihre Jeans hochziehen. Welten in einem Halbsatz. Der Mann im Zug, der seinen Mantel so hält, daß Cinderella das Etikett sehen kann, „his one and only charm“. Janni mit dem Walkman, der am Tresen sitzt: Lisa, die bedient und furchtet, ihr Leben laufe ab „like the ticket on her windscreen“. Abende, Kleinstädte, Kneipen und Träume vom Ausbruch schwer zu sagen, ob das immer die Welt von Ezio Lunedi ist oder ob er einem sehr amerikanischen Erzählgenre Tribut zollt, das er, der Italiener aus Cambridge, besser beherrscht als alle neueren US^bungsters, die zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um sich umzuschauen und Details aufzuschnappen und zu deuten.
Sie sind im Grunde ein Duo. Ezio erzählt (und spielt zweite Gitarre), und der dicke Booga, ein Bär mit Bubencharme, der so konzentriert und verliebt spielt, daß er bestimmt manchmal die Zunge in den Mundwinkel klemmt, Booga also haut dazu in die Saiten seiner Akustischen, daß man sich fragt, ob hinterher mehr übrigbleibt als Brennholz. Beim Debüt „Black Boots On Latin Feet“ hatte Rupert Hine die beiden zu zweit agieren lassen wie bei einem Club-Gig und kunstvoll ein wenig Percussion und Keyboards drumrum gebaut.
Diesmal saßen Rod Argent und Peter Van Hooke im Regie-Raum, das Tikaram-Team, und es wirkt (mit Band) ein bißchen runder, manchmal ein bißchen gewöhnlicher und nicht ganz so dicht am speziellen Etwas. Aber das geht in Ordnung, die Dynamik der Gitarren und der Raum für die Geschichten sind geblieben – den Live-Anblick Boogas, Ezios brüllend komische Ansagen, seine Kombination aus englischer Trockenheit und Al-Pacino-Blick kriegt man eh nicht auf eine CD.
Stories und Stimmungen schon. Und Ezio singt sie so überzeugend und überzeugt, daß alle Romantik kitschfrei bleibt und selbst die kühneren Metaphern nicht ins Gekünstelte kippen: „She’s an accordion girl/ Built with an accordion swirl/ She’ll let you squeeze/ And Stretch her right over your chest“: „CHORUS“ steht im Text-Booklet, wenn der Chorus kommt; oft würde man’s sonst kaum merken, da geht kein Ruck durchs Arrangement, da wird keine zweite Stimme aufgetragen: Ezio beugt sich zwar den repetitiven Gesetzen des Songwriting, aber er macht nicht viel Aufhebens davon – ein paar Akkorde, zwei Gitarren, eine Geschichte, was soll man mehr schon brauchen?
Die Platte ist wie einer dieser Filme, die eigentlich traurig sind, dich aber trotzdem mit dem Gefühl entlassen, daß die Welt weit und schön ist und nach Diesel Vanilla schmeckt, giftig und süß. Und ab morgen wird dann alles besser.