Get Well Soon :: Vexations

In jenem Jahr trat eine neue Generation von begabten Tüftlern ans Licht. Vermeintlich unscheinbare junge Leute wie Simon Frontzek, Maike Rosa Vogel (die hier mitwirkt), Johanna Zeul oder Josef Wirnshofer (The Marble Man) zapften von ihren Wohnzimmern und Dachstuben aus via Laptop das kollektive Pop-Wissen der Welt an und destillierten daraus sogenannte kleine Indie-Alben.

Der begabteste unter ihnen war eindeutig Konstantin Gropper. Ein blässlicher Kerl, Typ Klavierschüler, mit einer ausgewiesenen Begabung für feine Melodien von melancholischer Tiefe und atmosphärischer Dichte. Groppers Debüt war einer jener seltenen Glücksfälle, wo völlig aus dem Nichts Talent kommerziell belohnt wird selbst international wurde der Musiker goutiert.

Pünktlich zur Gripewelle kommt nun das zweite Werk des unter dem Moniker Get Well Soon agierenden Songschreibers. Es beginnt mit einem frühmorgendlichen Gang in den Wald („Nausea“), der in einer Nino Rota evozierenden Orchestrierung mündet, und endet mit einer Parabel auf den Untergang des römischen Imperiums („We Are The Roman Empire“) – dass es Gropper an Ambition nicht mangelt, dürfte also geklärt sein.

Der Künstler reibt sich an der Welt und den Zuständen, weshalb er die Platte nach einem Stück von Eric Satie „Vexations“ (Ärgernisse) genannt hat. Bestückt mit Verweisen auf Sloterdijk, Homer, Büchner, Sartre, Melvilles „Moby Dick“ und den römischen Stoiker Lucius Annaeus Seneca will Gropper nicht weniger als ein Konzeptalbum über Stoizismus geschaffen haben.

Was die Frage aufwirft, warum der Mann seine schmalen Schultern mit einem derart eitlen bildungsbürgerlichen Entwurf belasten muss? Gropper singt zwar ausgezeichnetes Englisch, hat aber offenbar den Philosophie-Grundkurs des humanistischen Gymnasiums nicht überwunden, auf dem er sicher war. Poesie-Reime wie „If life flows like rivers do/ Then we will last“ werden bedeutungsschwanger aufgeladen und in die Welt geschleudert wie letzte Wahrheiten.

Da es ihm jedoch gelingt, sich musikalisch vortrefflich in einem gediegenen barocken Ambiente zu inszenieren, fällt die Diskrepanz zwischen Hülle und Inhalt zunächst kaum ins Gewicht. Gropper ist ein versierter Handwerker, ein großartiger Komponist und Arrangeur, und auch auf diesem Album gelingen ihm wunderbare Stücke wie „Seneca’s Silence“ oder die Großtat „We Are Ghosts“. Wo auf dem Debüt nur die Schwester und einige Freunde zur Hand gingen, steht nun ein ganzes Ensemble von Musikern zur Verfügung. Stilistisch hat sich aber kaum was geändert. Erneut ist es ein bisschen so wie bei den Filmen von Quentin Tarantino: Man erkennt jedes Zitat der clever aus Arcade Fire-, Calexico-, Radiohead- und Bright Eyes-Versatzstücken montierten Songs, fühlt sich aber bestens unterhalten.

Ohne Probleme kann man sich von Groppers Musik davontragen lassen, diesem Meer der Stimmung und des steten Wohlklangs. Man kann aber dieses Album ohne Brüche und Abgründe auch als gediegen depressive Klangtapete der gehobenen Art empfinden.

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