John Lydon – Psycho’s Path

Nun gut, sie können jetzt alle wieder lachen auf dem Weg zur Bank. Aber sonst war die Sex-Pistols-Reunion vertane Zeit, bedenkt man, daß John Lydon drei Jahre für ,JPsycho’s Path „brauchte, bloß weil er zwischendurch noch mal den Rotten geben mußte. Vielleicht sah er den Nostalgietrip ja auch als Reklame für das, was er schon halb im Sack hatte: sein Solo-Debüt, ideenstrotzend und spannend – und übrigens keine Abkehr von PIL, wie er beschwört; er habe nur mal akkurater arbeiten wollen: Die Platte gleiche einem Wildpferd am Zügel, während zuvor das Pferd zügellos rumgaloppiert sei.

Etwas blabla, aber man merkt schon daß da ein Mann sein Ding dreht „Organisiertes Chaos“, sagt er – korrekt, weil widersinnig: Manches auf dieser Platte gibt’s eigendich gar nicht Düsternis mit Pfiff. Songs, die ganz eigenwillig Grunge und New Wave zusammenzwingen. Andere ohne erinnerbaren Refrain, die man trotzdem wie eine gute Pop-Single immer wieder hören will. Wie „Sun“, das mit seinen Pappkarton-Stampfdrums und dem eckigen Akkordeon klingt, als hätte wer Paul Simons JBoy In The Bubble“ für den Soundtrack zu Natural Born Killers umgearbeitet Dies und anderes findet sich übrigens doppelt: Track 11 bis 15 sind Remixes von Moby, Leftfield und den Chemical Brodiers, die nicht mal anbiedernd wirken, weil Lydon das Genre erstens nicht fremd ist, weil sie zweitens funktionieren – und wir sie drittens dennoch nicht brauchten: Die selbstproduzierten „eigentlichen“ Songs sind überzeugend genug. Auch da klopft’s clubverträglich; präsenter jedoch: die 80er Jahre. Punk-Reste, Wave, Bektro-Pop, doch das wirkt nie wie ein Rückgriff, nie antiquiert, eher wie ein Stück Biographie, das ganz selbstverständlich einfließen darf Viele Tracks trägt der Rhythmus (von Hand oder vom Chip), oft blöckisch, nie sexy; darauf packt Lydon, was ihm einfallt Gitarren, böse und brave; Samples und Sounds, farfisa-dünn, petshopboysfett, alles sehr clever verwoben, und dazu: die Stimme. Die fast Morrisseysches Drama entwickeln kann; die man aber manchmal sehr mögen muß, um sich nicht nach Gesang zu sehnen statt GeheuL Doch er ist der Mann mit der Lizenz zum Spucken, und er sagt uns, was stinkt, in Stories, Traktaten, Slogan-Collagen. „Stump“ – eine Art Rede vor Techno-Background, wo er alle zur Sau macht, die ihre eigenen Ideen nicht mutig umsetzen. (John Lydon findet Dreiecksbeziehungen nämlich doof). „Grave Ride“ – der Brief eines in Bosnien zum Tod Verurteilten an seine Frau („We are but numbers, statistics on a sheet/ This is what happens whenever humans meet“). Gift und Galle.

Bis zum klagenden Refrain von Track 7. „Take me“, bittet er, „hold me!“ Hören wir Zweifel? Verletzlichkeit gar? Natürlich. Denn John Lydon, Damen und Herren, zeigt uns zwar sein Herz nur ungern, aber es pocht hörbar hinter der Häme. John Lydon ist nämlich auch etwas, was es eigentlich nicht gibt Ein sensibler Hallodri, ein zynischer Moralist Und wenn die Platte nun ist, stellt man plötzlich fest, daß da vorher eine Lücke war, die Lydon schließt Wir rätseln noch, ob das an den Arrangements oder am Stil liegt oder an seiner unverwechselbaren Persönlichkeit Wie auch immer: Beides spräche nachhaltig für John Lydon, der einmal Johnny Rotten wat

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