Johnny Cash
Unchained
RCA
UMHIN D «;a Autarkie, Atavismus und alttestamentarischer Groll seiner ^4mericanRecordings“ finden in Johnny Cashs neuem, wieder von Rick Rubin produzierten Werk keine Entsprechung. Ein Schritt vor, zwei zurück, der Kreuzzug gerät ins Stocken. „Unchained“ bedient sich anderer, weniger kriegerischer Mittel Den heiligen Zorn hat Cash gegen demutsvolleren Gestus eingetauscht, die Rolle des Flagellanten gegen die des Mahners. Geblieben ist die gottverdammte Schicksalsergebenheit, dieser irritierende Optimismus, der ihn einst psalmodieren ließ: „‚Till things are brighter, I’m the man in black.“ Nein, Johnny Cash hat nicht Kreide gefressen, und den Part des Säulenheiligen würde ihm eh keiner abnehmen. Mag sein, daß er die mythischen Tiefen nicht mehr ausloten muß, weil er sein Purgatorium hinter sich gebracht hat mit diesen ^American Recordings“. Oder, viel profaner, er wollte einfach, wie sagt der Ami so beneidenswert bildhaft: to kick ass. Wie auch immer, Cash hat die musikalische Askese des Vorgänger-Albums eingetauscht gegen Tom Petty & The Heartbreakers,das Elementare gegen das Arrangement Daß dabei Reinheit und Integrität zuweilen in Gefahr gerieten, hat Rick Rubin billigend in Kauf genommen; daß sie nicht auf der Strecke blieben, ist dennoch in erster Linie sein Verdienst. Es klingt paradox, aber Rubin setzt auf den Umstand, daß Cash kein großer Sänger ist, aber eine große, autoritative Stimme hat, kaum modulationsfähig, ja beinahe monolithisch. Rissig ist diese Sandpapierstimme geworden, doch hat sie auch in den unteren Registern noch reichlich Volumen und mehr als genug Charakter, um sich im manierlich rockenden Umfeld zu behaupten. Mit Bravour, gerade dann, wenn das Material Ansprüche stellt. Mit dem Soundgarden-Song „Rusty Cage“ etwa konnte sich Cash lange nicht anfreunden. Rubin ließ indes nicht locker, und tatsächlich gehört der Track trotz seines für Cash unorthodoxen Tempowechsels zu den Highlights des neuen Album. Wie auch Don Gibsons „Sea Of Heattbrcak“, mit Baß-Piano und gebremstem Boogie-Woogie-Flair, oder das sparsam-akustische, naturbelassene Liebeslied „The One Rose“, so und nicht anders vor 70 Jahren gespielt und gesungen von Jimmie Rodgers. Auf Johnny Cashs ureigenem Terrain, dem klassischen Memphis-Rockabilly der Sun-Tage, sind die Heartbreakers freilich etwas überfordert und bemühen sich rumpelnd in einem viel zu integrativen Mix, wo doch Härte und Schärfe gefragt wären. Besonders für „Country Boy“ hätte man sich die Klarheit und Wahrheit der Tennessee Three gewünscht, und auch „Mean Eyed Cat“ wäre weniger freundlich und unverbindlich ausgefallen mit Bob Wootton, Dave Rowe und W. S. Holland an den relevanten Instrumenten. Wishful thinking. „Memories Are Made Of This“, ein Dean-Martin-Rührstück, das Val Doonican einst für England schmachtete, stört wenigstens nicht weiter. Was sich für die Streicher-Imitationen auf dem Title Track, einem langsamen, sittsamen Gospelsong, nicht behaupten läßt. Seltsam auch, daß Rubin ausgerechnet bei der Realisierung von Tom Pettys „Southern Accents“ gespart hat und Jack Nitzsches wunderschöne Strings, die das Original geziert hatten, durch seifige Keyboards ersetzt. Es sind überflüssige Ornamentierungen wie diese, die hier und da die Begeisterung über ein ansonsten brillantes Album dämpfen. Oder wenn die Heartbreakers den Rockabilly-Aufstand proben, tapfer, aber ohne den rechten Biß und Swing. Johnny Cash steht darüber, momumental, von keinem Zweifel angekränkelt, zu Spaß nicht aufgelegt. „‚Till things are brighter…“ The importance ofbeing earnest. WOLFGANG DOEBELING