Midnight Oil – Breathe

Sie gehörten immer zu den Aufrechten, Engagierten, zu der Sorte wohlgemerkt, die nie des scheinheiligen Heiligenscheins verdächtig war, und bei der, vor allem, der klare Kopf den Beat nie (birken)stocken ließ. Trotzdem will niemand noch mehr Songs über Aborigines von dieser Band und, gottlob, die Band selbst auch nicht „Get inside/ Take thät dive.“

Themen gibt’s genug, auch brisante, Wut auf Gewalt und Rassismus, Fortschrittsmüdigkeit, aber Midnight Oil gehen den Slogans aus dem Weg: musikalische wie textliche Gestalt sind vielschichtiger. Nie wirkte Peter Garrett dermaßen positiv, versöhnlich, ohne abgeklärt zu sein: locker, aber mit attihtde die Faust, das spürt man, kann sich jederzeit wieder ballen. Rigorosität und Garretts Charisma ließen Midnight Oil groß werden; richtig populär wurden sie eher durch bestens mitsingbare Refrains, die (hin und wieder) auch weniger bezwingende Kompositionen retten mußten. Kein Grund zur Klage diesmal: Die Songs bestechen einer nach dem anderen.

Auch der stilistische Sprung in die zweite Hälfte der Neunziger gelingt: Die Platte klingt modern (also altmodisch, angeschmutzt), und wenngleich man ahnt, daß die Band und ihr Produzent Malcolm Burn (Patti Smith, Emmylou Harris) darauf geachtet haben, nicht auf die fälsche Art retro zu tönen, so wirkt doch nichts angestrengt hip. Aber stets bezwingend.

Ob verzerrter Baß, Feedback und rumpelnde Drums oder Akustisches mit (überhaupt nicht amerikanisch wirkendem) Country-Flair oder Reminiszenzen an Who oder Beatles – Midnight Oil konstruieren kleinere Räume als früher, verzichten auf Weite und gewinnen Nähe, ersetzen das Hymnische durch Prägnanz: „It’s hard to stay human and stand in the ring.“ Garrett kann noch heulen und beißen, öfter aber singt er warm, fast zärtlich, hat das Falsett entdeckt und duettiert, wozu hat der Produzent Kontakte, einmal gar mit Emmylou, jawohl, Harris. Nur bei ein oder zwei Songs denkt man: Naja, typisch Midnight Oil, aber das geht in Ordnung. Der Rest ist – nicht fremd, aber frisch, nicht neu, aber neugierig. Ein großer Schritt, eine wunderbare Platte.

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