Motorpsycho – Phanerothyme
Sie hatten ihre Zeit. Vor ein paar Jahren noch warfen die Norweger in regelmäßigen Abständen Blöcke wie „Timothy’s Monster“ oder „Blissard“ auf den Markt, wahnwitzige Wundertüten, Doppel-Alben, gefüllt mit Schweinerock, Pink Floyd, Metal, Psychedelia, Drogennebel und Gitarren-Kaskaden, die die Adepten das Fürchten lehrte. Die Fans von Motorpsycho sind seit jeher so treu wie
die Anhänger der britischen Sozial-Plage New Model Army. Natürlich tragen sie nicht so hässliche Klamotten und gehen öfter zum Friseur. Auf „Hey Jane“, einem ihrer besten Stücke, zitierten Motorpsycho eher unfreiwillig Bruce Springsteens „Candy’s Room“. Das trifft sich, denn auch sie geben Konzerte, die selten unter drei Stunden dauern und oftmals erst dann beendet werden, wenn wirklich niemand mehr stehen kann.
Das einzige, was man Motorpsycho vorwerfen kann, ist, dass sie viel zu viele Alben und EPs veröffentlichen: Hatte man sich an eine Platte gewöhnt, war das nächste Album schon wieder fertig. Zuletzt „Let Them Eat Cake“, auf dem die berüchtigten Eklektizisten den ganz großen Schwenk in Richtung Pop ausführten und schadlos überstanden. Die Beach Boys ließen grüßen.
Nun gibt es eine äußerst notdürftig beschriftete Kassette der Plattenfirma, die nicht einmal „A“- und „B“-Seite anzeigt, und darauf steht „Phanerothyme“. Motorpsycho haben schon wieder die Zeit gefunden, Musik zu machen. Diesmal mit einer irren Jam-Session namens „B.S.“, bei der wie wild geflötet wird und hernach ein Spinett erklingt, dass es einem schwindlig wird. Bewährt haben sich neben den sirrenden Streichern auch die Bläsersätze und Piano-Etüden, und überhaupt ist wieder beinahe alles an seinem Platz. Einem Reißer wie „For Free“ wünscht man sogleich einen prominenten Platz im Live-Set.
Kein Lob also für die Promo-Kassette, wohl aber – natürlich – für Motorpsycho.