Nancy Sinatra – Nancy Sinatra
Papa war „The Voice“. Nancy nur ein nettes Pop-Stimmchen, platinblonde Haare, lange Beine – und Ambition. „These Boots Are Made For Walking“ spielte sich 1966 zum feministischen Kampfruf auf und war doch zugleich kokettes Spiel mit sexuellen Stimulanzien. Stiefel, hoho. Highheels? In England ließ sich Emma Peel, auch so ein Vamp begehrlicher Männerfantasien, im Catsuit auf die Schienen binden. Immerhin, in den großen Duetten „Summer Wine“, „Some Velvet Morning“ und „Lady Bird“ gab Nancy dem raspelnden Bass ihres Mentors Lee Hazlewood klasse Kontra, mit Haltung und Glamour und Sex-Appeal. Bis 1968 ging Sinatra 22 Mal in die US-Charts, betörte auf Album- und Magazin-Covern – und setzte Fußstapfen, in denen Hynde, Harry, Madonna bequem in Richtung Female Rock Unterwegs sein konnten. Nun steht also sie, nach Joan Baez und zuletzt Loretta Lynn, im Mittelpunkt eines Cash/Rubin-Stunts: Reifer Star adaptiert die Songs Nachgeborener. Während sich Lynn von Jack White sanft zur Grenzverletzung nötigen ließ und die „American Recordings“ des „Man In Black“ gerade durch die gepflegte Distanz der Protagonisten emotionalen Schub bekamen, war Nancys Produktion eine „Familien-Affäre“. Tochter AJ Azzarto drehte die Regler oder Schwiegersohn Matt oder Don Fleming.
Soll heißen: Patchwork ohne hinreichendes Controlling. In Calexicos Spaghetti-Surf-Texmex „Burnin‘ Down The Spark“ (Lee, die „Summer Wine“-Referenz kannst du zu Dollars machen!) fühlt sich Nancy wohl. Und auch „Ain’t No Easy Way“, von Jon Spencer mit grimmiger Blues-Gitarre und knurrenden Souterrain-Vocs verfeinert, sieht die 64-Jährige im Stile einer relaxten Nashville-Lady. Die Vorträge in Cockers „Don’t Let Him Waste Your Time“, in Yorns „Don’t Mean Nothing“ oder in Morrisseys „Let Me Kiss You“ klingen dagegen nach Take 1: flach, flau, phlegmatisch. „Kannst du besser, Nancy. Mehr Druck, mehr Intensität“, hätten Rick oder Jack wohl gelockt. Das Geheisere in Thurston Moores wuchtig rumpelndem „Momma’s Boy“ kitzelt wieder die Sinne. Wie Nancys mondäne Performance im Barjazz-Schleicher „Two Shots Of Happy, One Shot Of Sad , von Bono und The Edge ehemals für Frankie verfasst. Das einst grelle Baez-Organ machte die Patina dunkler, rauer, bewegender. Sinatra war niemals eine große Artistin. Und ihr haben die Jahre eher genommen als gegeben: die Kraft, den jugendlichen Jackson“-Stahl. Und wir warten nun auf die Reanimation der nächsten Style-Ikone: Doris Day, unter der Regie von Pelle Almqvist, demnächst in diesem Theater?