Print-Pop :: von Frank Schäfer

„Paradies, etc.“ (Maro, 14 Euro) ist Thomas C. Breuers immerhin schon 17. Druckwerk. Ein Buch über Amerika, eins über Idole und über das Reisen. Und wie schon in seinem Erfolgsroman „Sekt in der Wasserleitung“ sind diese 15 Kurzgeschichten zumeist in der Provinz situiert. Da gibt es die Quadratschädel, Hillbillys, die bigotten Rednecks und Obskuranten, da darf man „mit sechzehn zwar, keinen Alkohol kaufen…, dafür aber hingerichtet werden“, aber es gibt eben auch diese paradiesischen Nester wie Sedona, wo sich seiner Legende zufolge der liebe Gott mit der esoterischen Schalterbeamtin Blanche zur Ruhe gesetzt hat. Breuer ist einige Zeit in den USA herumgereist, kennt also Land und Leute, und das merkt man diesen Geschichten an. Sie sind wirklichkeitssatt, detailreich, legen Wert auf die Beschreibung von Interieurs, von Landschaften, eben der Dingwelt. In einigen Erzählungen streift er die Reportage, ist der Plot eher dünn, dafür die Atmosphäre umso suggestiver, etwa in „Swampwatch“, wo er einen Renn-Armadillos züchtenden Hinterwäldler schildert, der das Erbe des unbekannten, aber genialen Blues-Songwriters LaVern Tradieux verwaltet. Das klingt alles so, als würde es stimmen, aber man traut ihm trotzdem nicht über den Weg. 3,0

„Was alles fehlt“ (Piper, 15,90 Euro) von David Wagner ist ein wunderbarer Titel für einen Verriss. Und wenn etwas schon so danach schreit… Diese zwölf Geschichten wärmen noch einmal den Fin-de-siecle-Pop der Berliner Mitte auf und erzählen von unzufriedenen Bankern, Künstlern und anderen Yuppies. Die haben Geld und einen guten Job, wissen aber trotzdem nicht, wie es weitergeht. Wagner schildert diese Jungmenschen-Kaste, mit der man nie etwas zu tun haben wollte, und er macht das auf eine so gelangweilte, indolente, monotone, oft abgedroschene Weise (etwa wenn er das sattsam bekannte Vernissage-Geplapper transkribiert), dass man diese frierenden Menschen nicht mal bedauern kann, sondern nur die Schultern zuckt. Nicht zuletzt, weil man das schon so oft und so viel besser gelesen hat. 1,0

„Born Bad“ (Eichhorn, 18,90 Euro) von Andrew Vachss versammelt 20 düstere, perfide, zynische Crime-Stories, die sich zu Wagners Geschichten ausnehmen wie die gut gebutterte Mettwurst-Knifte zum Frankfurter Kranz. Das will gar keine große Literatur sein, ist es dann aber doch. Denn Vachss, der schreibende Anwalt, der schon viel Elend gesehen haben muss, zeichnet hier ein Panorama zeitgenössischer Kriminalität und Grausamkeit, das an Voltaires „Candide“ gemahnt und wohl auch so gemeint ist: Hilf dir selber, denn sonst hilft dir keiner. Ein Gott schon gar nicht. Und bei alier Schlechtigkeit, die sich hier wieder und wieder an der Moral vergeht, bleibt letztlich doch nur die übrig. Weil wir nicht viel mehr haben. 3,5

„Nächte in New York“ (Rogner & Bernhard bei 2001, 13,80 Euro) von Diane di Prima. Man merkt diesen „Erotischen Erinnerungen“ zunächst zu sehr an, dass sie erstmals in Maurice Girodias‘ berüchtigter Olympia Press erschienen sind, und dass der Verleger das Manuskript mehrfach mit dem Vermerk „Mehr Sex“ zurückschickte. Wie fast alle Bücher des Genres entgeht auch dieses nicht der trübseligen, dem Repetitionszwang geschuldeten Monotonie des kleinen Rein-Raus-Spiels, und auch die „bedeutendste Autorin der Beat-Generation“ (Klappe) verfügt nur über eine Sprache irgendwo zwischen Anatomie-Handbuch, Bedienungsanleitung, Poesiealbum und Straßenstrich.

Nach einer Weile aber schreibt sie sich frei und setzt das Unvermeidliche maßvoller und motivierter ein. Ohnehin sind es weniger die „Nächte“, die diesen Erinnerungen aus den Fünfzigern ihren Reiz geben, sondern die hellen Spots, die hier auf die Konstitutionsphase der New Bohème fallen, die sich später die Beat-Generation nennt: auf die Jazz-Clubs in Greenwich Village, auf die angesagten Bücher, die Gruppen-Codes, das Zusammenleben in Wohngemeinschaften, die Prä-Hippie-Events auf dem Land, die Solidarität, aber auch die Gewalttätigkeit innerhalb des Milieus. Am schönsten ist das letzte Kapitel, als Ginsbergs „Howl“, das Initiationsbuch einer ganzen Generation, in ihr Leben tritt. Beim Suppekochen. 2,5

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