print-pop

„Mein Leben als Leser“ (Kiwi, 7,90 Euro) vereint 14 Kolumnen Nick Hornbys für die Zeitschrift „Believer“. Der Bücher-Junkie überzeugt wie in „31 Songs“ mit radikaler Ehrlichkeit und unterhält mit dieser Hilflosigkeit, mit der er sich in „Fever Pitch“ für Hooligans und Proleten entschuldigte, aber auch mit dem in „High Fidelity“ so genial austarierten Dilemma des Menschen mit eigenem Geschmack, der sich davor sträubt, Pop-Snob zu sein. Analog zu seinem eklektischen Musikgeschmack, dem Spagat zwischen Mainstream und Kult, verehrt er Dickens und Salinger genauso wie unbekanntere Autoren. „Es gibt kein Gesetz, das einem vorschreibt, bei seinem Lesestoff einer Linie treu zu bleiben.“ Auf seinem Nachtschränkchen und im Reisegepäck landen aber auch Sachbücher und Gedichtbände, ebenso „Endlich Schluß mit dem Rauchen“, Krimis und Comics. Bisweilen gibt er zu, sich geirrt zu haben und daß manche Flanke auf dem Fußballfeld ihn dann doch noch mehr bewegt als die Bücherstapel, die er aus Flughafen- und Krankenhaus-Buchhandlungen, immer wieder auch auf Flohmärkten aus Gemüsekisten fischt. Leidenschaftlich wie Philippe Djians „In der Kreide“. 4,5

„My One and Only lOVe“ (Edition Nautilus, 16,90 Euro) von Gilad Atzmon ist fast ein Jazz-Roman in der Tradition Dorothy Bakers oder John Williams‘. Und doch ganz anders. Danny Zilber hat ein sicheres Händchen, an der Trompete und bei den Frauen. Sein Manager kümmert sich um alles. Doch das ist nicht genug: Als Danny die eine und einzige sichtet, „the one and only love“, wollen beide mehr. Der Musiker mehr von der einen, der Manager mehr von allem. Danny sucht fortan vor und hinter jeder Bühne nach der rätselhaften, vermutlich deutschen Fee, und sein Manager Abraham Shtil alias Avrum formt aus ihm einen Superstar. Jedes Mittel ist recht – gegebenenfalls auch Clownereien: „Von jetzt an wirst du immer, wenn wir zum Kastagnetten-Solo kommen, deine Trompete hinschmeißen und sie auf der Bühne total zusammenhauen. So als würdest du sagen: .Danny schert sich ’n Dreck um Geld.‘ Du hältst die Hände so in der Art geöffnet hin, wie’s die Scheiß-Propheten aus der Bibel machen…“ Der Form nach gibt der Roman vor. Fakt und Fiktion zu montieren. Der wahnwitzige Manager unterhält Kontakte zu Geheimdiensten, es kommt zu einem Mord – und immer wieder zu Comedyeinlagen. Der Autor Atzmon hat als Musiker vielfach bewiesen, daß der beste Platz generell der zwischen den Stühlen ist. Den zwanglosen Umgang mit Genres und Stilen merkt man seinem zweiten Buch an: Wie wild wird collagiert und gepaart, nur eins ist das Buch nie: konventionell. 4,0

„Sticheleien“ (Edition Moderne, 18 Euro) ist Marjane Satrapis erstes Buch seit den „Persepolis“-Bänden, die im Comic-Kanon von „FAZ“ und „Bild“ zwar nicht vorkommen, aber sicher zu den bewegendsten Graphic Novels seit Art Spiegelmans „Maus“ zählen. Satrapis Humor ist weiterhin auf hohem Niveau, doch die Einsichten in die Frauenwelten zwischen Küche, Samowar und Opiumsud, Smalltalk und Zeitläufte diverser Perserinnen haben nichts von dieser gravierenden Ernsthaftigkeit, mit der einem „Persepolis“ den Atem nahm und zugleich über die Komplexität der Revolution Khomeinis aufklärte. Entsprechend gehen einem die naiv gezeichneten, oft an Holzschnitte erinnernden Figuren und ihre Mimik hier weniger unter die Haut. Trotzdem: nach wie vor eine Autorin, die man gern im Auge behält. 3,0

„Verdammte Helden“ (Heyne, 8,95 Euro) von Joe Meno ist der millionste Roman, bei dem es sich laut Klappentext um einen neuen „Fänger im Roggen“ handelt. Totaler Schmu. Es ist ein Coming-of-Age, bei dem richtige Helden höchstens auf Mixtapes in Erscheinung treten. Ansonsten Highschool, Angst vorm Abschlußball, sie heißt Gretchen, ist oft high, er steht weniger auf Punk als Heavy Metal, zusammen machen sie oft blau, leiden mit wenig Leidenschaft – dafür umso mehr Musik (Smiths, Social Distortion, The Misfits versus Mötley Crüe, Guns N’Roses und plötzlich auch Chet Baker)…2,0

„Barfuß in Hollywood“ (Krüger, 18,90 Euro), Untertitel: „Mein Leben inmitten der Stars“, von Frances Schoenberger kompiliert Begegnungen mit Legenden und Musikern. Schoenberger, Millionen unter uns sicher vertraut durch Stories in „Bravo“, wo sie eine Zeitlang über fast jede Band schrieb, die noch heute von Relevanz ist, agiert seit 1969 als Korrespondentin und Star-Reporterin im Land der begrenzten Unmöglichkeiten. „Barfuß in Hollywood“ ist ein Mix aus Memoiren, Mädchen-Tagebuch, Karriere-Ratgeber und Showtime- Reader. Candid und mit amerikanistischen Kadenzen („Ich machte die Betten für Ray Charles“, „Hilary hakt sich bei mir unter“…) plaudert sie aus Nähkästchen, greift auch mal tief in Kosmetikköfferchen – und so erfahren wir Irres und Lustiges über Bowie im Bett, Gene Simmons‚ Sammlung mehrerer Hundert Polaroids von Vaginas, Nastassja Kinski im Pool, Interview mit Manson -Charles, nicht Marilyn. Sehr lesbar, besonders für alle, die sich nicht schämen, auch in Klatschgazetten nach coolen Interviews zu suchen. 4,0

„Dusel“ (Edition Lückk Nösens, 9,90 Euro) ist der vierte Band mit Klartextgedichten und Storyvignetten, den Florian Günther schon Monate vor Drucklegung an Kneipentresen zu verhökern begann. Der Ex-Frontmann von Klick & aus dichtet, denkt und schreibt für Leute, wie er sie jeden Abend im Hausflur sieht, gegen Mittag auch im Rasierspiegel. Sobald er genug Bestellungen fürs nächste Buch hat, wird gedruckt. Günther schreibt gegen den Krampf des Lebens an, über das Lesen und Überleben, die Tristesse in Ostberliner Hinterhöfen sowie die großen Glücksmomente in den ganz irdischen, oft kleinkarierten Momenten. Alles mit einer Wucht, als bestünde noch Hoffnung. 4,0

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates