Razorlight – Up All Night

Eine Welt ohne Tee und Kuchen, ein Leben ohne Frühstücksfernsehen, ohne warmes Essen, schriftliche Entschuldigungen und kurze Ruhephasen, in denen die Ohren zu pfeifen aufhören und die Lunge endlich den ganzen Rauch ausspuckt In Razorlights Welt sind alle auf Schinkensandwich-Hustensaft-Diät, werden am Spätnachmittag von der untergehenden Sonne geweckt, bevor es umso länger wieder dunkel wird und die Musik losgeht Das schönste Lied der Debütanten auf „Up All Night“ ist „Golden Touch“, in dem es um ein besonderes Mädchen geht, das nie zurückruft, obwohl man es so oft probiert und sich danach sehnt, an ihrem Zauber teilzunehmen. Unwahrscheinlich, dass Razorlight dieses Mädchen kennen. Ihr London ist aus ’77er-Punk-Büchern abgezeichnet, so treffend, dass es nur die Leute wiedererkennen, die selbst davon geträumt haben und nie da gewesen sind. Man fühlt sich zu dick, wenn man die Platte hört. Man spürt, was selten ist, die Kraft, die Musikmachen kostet. Skelette mit Muskeln, die Gitarren sind eben aus dem Schrank gefallen, Donner-Griffe, Motoren-Alarm, Amphetamin-Schlagzeug. Television, vor allem The Clash, Richard Hell. Es gibt keine Geschichte über Razorlight, die man nicht schon über jemand anderen gehört hätte. „Up All Night“ kam in England auf Platz drei, aber so leicht wie die letzten britischen Lieblingsbands werden sie den Rest der Welt nicht rumkriegen: weniger eingängig, juvenil und sorglos.

Hauptfigur Johnny Borrell ist ein aggressiver Melancholiker, halb gefressen von Ehrgeiz und Zweifel – ein murmelnder Beatlyriker, der Stromschläge bekommt und zum Rock’n’Roll-Star wird, mit Schluckauf und Atemnot. Man kann jeden gut verstehen, der das abgeschmackt findet, aber oft ist Razorlights Version des alten Laut-leise-Spiels echt betörend. Jedes Lied hat ein oder zwei Prügelpausen, das Beste sind die Schlüsse. Am Ende von „Don’t Go Back To Dalston“, dem Song für Libertines Peter Doherty, schreit der räudige Chor „Come back! Come back!“, Johnny Borrell brüllt „Come back to me!“, rührend hilflos. „In The City“ (das zweitschönste Stück) ist eine handgeschriebene Ode ans nächtliche Rumstehen in überfüllten, trotzdem mörderisch einsamen Konzertkneipen.

Razorlights Welt ist kalt doch selbst eine Liebeserklärung an der Klowand ist ja irgendwie lieb.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates