Replays 2 von Bernd Matheja

Zwischen 1970 und 1975 scheiterten diverse Band-Sänger als Solisten. Einer von ihnen war MILLER ANDERSON (ex-Keef Hartley Band). Urig-gute Röhre, obendrein ein Guter an den Saiten, prima Songs nur die Allgemeinlähmung jener Jahre verhinderte, daß „Bright City“ (Repertoire REP 4524) aus den Regalen gerissen wurde. Blues-Rock, Halbakustisches – noch heute hervorragend anzuhören. Ebenso stark: LINDA HOYLE. Die frühere Affinity-Sängerin besticht auf „Pieces Of Me“ (Repertoire REP 4473) durch exemplarische Nonchalance zwischen Jazzigem, Blues und unerwarteten Krachern. Ihre Solo-Premiere von 1971 überzeugt ferner durch den rundum agierenden Leadgitarristen Chris Spedding. 4,0 für Anderson/Hoyle.

Vier Chart-Erfolge genügen, um drumherum ein Album namens „Airport – Greatest Hits“ (Virgin CDVM 9032) zu stricken. Egal: Die 17 MOTORS-Titel waren längst überfällig. Neben der Top-Komposition „Airport“ setzt es gemäßigten Muskel-Rock und Power-Pop. Tracks wie „Emergency“ und „Love And Loneliness“ hätten die Ducks Deluxe-Nachfblger eigentlich populärer machen müssen. 3,0

Mit den beeindruckenden Boomers sorgte JAN THOMAS kurzfristig für Furore. Da hatte der kanadische Sänger, Autor und Gitarrist schon mehr als ein Dutzend Solo-Scheiben auf dem Buckel. Aus diesen Alben (1973-1985) rekrutiert sich das Material von „Looking Back“ (Anthem WAGK-1068/ SMIS). Längst nicht so perfekt wie Thomas‘ aktuelle Produktionen, aber bereits mit deutlichen Spuren dessen, was da kommen würde: Kinks, Elton John und America sind nicht die schlechtesten Paten. Einige Konzessionen an den nordamerikanischen MOR-„Geschmack“ trüben den Gesamteindruck. 2,5

IAN DURY wird endlich angemessen gewürdigt: „The Best Of (Repertoire REP 4507) besticht neben der Musik durch fachkundige Zusammenstellung. Alle sieben Hits sind vertreten; dabei erstmals auf CD: „Profoundly In Love With Pandora“, ein Nachzieher von 1985. Die 14teilige Füllmasse ist geschmackssicher ausgewählt, der die Londoner auf stilistischem Privatgleis bestens repräsentiert. Dazu gute Booklet-lnfos. Gelungen. 4,0

Einen nur unvollständigen Abriß der Karriere des LEMMY KILMISTER bietet „Born To Lose – Live To Win“ (Conoisseur/Pickwick VSOP CD 206). Rocking Vicars, Hawkwind, Motörhead, Wendy O’Williams, Albert Jarvinen Band – alles da. Die interessantesten Stationen des Bölkers am Baß aber, Satn Gopal’s Dream und Opal Butterfly, wurden nicht berücksichtigt. Und genau die hätten Sammlern Freudentränen beschert. 17 Stücke, leider ohne „Silver Machine“, insgesamt zu halbherzig, 2,0

Seine Augen sind größer als sein Gesicht: SCREAMIN‘ JAY HAWKINS ächzt, stöhnt und brüllt offenbar direkt durch die beiden Sehkugeln. „Portrait Of A Man“ (Edsel EDCD 414) versammelt 25 Tracks aus dem Zeitraum 1954 bis 1994, unsterbliche Großtaten wie „I Put A Spell On Your“ und „The Whammy“ inklusive. Rhythm & Blues & Soul & Rock & Roll, zelebriert mit geschundenem Schlund und stets dem Schlußverkaufsmotto verpflichtet: „Alles muß raus!“ 4,0

„The Anthology“ (Connoisseur/ Pickwick VSOP CD 207) von SAMMY HAGAR spart bei 17 Titeln zwar Klassiker wie „Rock’n‘ Roll Weekend“ und „Reckless“ aus – dafür wurden aber vier Treffer seiner Zeit mit Montrose eingebaut, darunter die ausgebremste Cover-Version von „Connection“ (Rolling Stones). Hard & heavy, flitzig & hitzig – ein Shouter, Baujahr ’47, der diversen frisch gepamperten Jaul-tüten überlegen ist, ohne selbst großartig sein zu müssen. 3,0

Englands bester Rock-Sänger war, zumindest drei Alben lang, Dave Perry. Wer? Unter seinem Künstler-Namen Elmer Gantry stand er der gelinktesten Combo vor, die das United Kingdom je hervorgebracht hat – STRETCH. Wieder lieferbar ist jetzt ihr glorioser LP-Erstversuch „Elastique“ (Repertoire REP 4522) von 1975, mit „Why Did You Do It“ und „Slip Away“ (begnadeter Schleicher). In den Top-Momenten auf einem Qualitätslevel mit Free, klinkten die Briten mit einmaliger Lässigkeit Bluesrock der Handelsklasse A aus. Und immer vornweg: Eimer der Große, dessen müheloses Geschnarre noch immer alle nachgewachsenen Ondulier-Bubis zu plärrenden Lachnummern degradiert. 4,5

Neues von NIRVANA! Nein, gemeint ist das englische Duo (mit Anhang) mit Patrick Campell-Lyons und Alex Spyropoulos, das 1967/68 die verspielten Psychedelic-Nummern „Pentecost Hotel“ und „Rainbow Chaser“ unter die Leute brachte. „Secret Theatre“ (Edsel EDCD 407) enthält 21 unveröffentlichte Titel: Neufassungen, Sprechschnipsel, Archivfunde. Für Nirvana-Fans gewiß eine umwerfende Fundgrube; für Otto & Ottilie Normalverbraucher(in) weitaus weniger aufregend, eher müde. 2,0

Aus der Londoner Zentrale des Castle-Labels kommt die ungefähr 963. Kopplung der KINKS (alles PYE-Material). Schon der höchst innovative Titel „The Kinks“ (ESBCD 268) läßt übles ahnen. Und so kömmt es dann auch: 60 Tracks auf drei CDs – und wieder mal die gewohnte Plörre, grauenhaft zusammengekloppt (Hits fehlen, herausragende LP-Tracks ebenso). 1,0 – und die Chance für Castle Communications, sich mit ein bißchen Wohlwollen und Hilfe von Kinks-Kennern um ein umsatzträchtiges Raritäten-Set zu bemühen, das spielend zu erstellen ist Und da wir gerade dabei sind: Die Wunschliste an Repertoire in Sachen shouter der 70er Jahre lautet: Chris Youlden, Maggie Bell, Terry Reid („River“), Graham Bell, Kathi McDonald, Jackie Lomax, Christ Farlowe und Genya Ravan.

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