Scout Niblett – Kidnapped By Neptune
Als Scout Niblett noch im englischen Nottingham wohnte (mittlerweile lebt sie in Oakland, Kalifornien), hatte sie einen Zettel an ihrem Badezimmerspiegel, auf dem stand „I am Emma“. Denn „Scout“ ist nur ihr Alter ego, das sie sich zulegte, nachdem sie Robert Mulligans „To Kill A Mockingbird“ gesehen hatte und sich in die sechsjährige Tochter der Hauptfigur Atticus Finch (gespielt von Gregory Peck), Jean Louise „Scout“ Finch, verliebte.
Für das Coverfoto ihres zweiten Albums mit dem recht konkreten Titel „I Am“ nahm Scout Niblett ihre blonde Perücke nicht ab, steckte sich zusätzlich noch Brot unter die Oberlippe, so daß sie aussah wie eine botoxgespritzte Prominentengattin. Auch die Zuordnung „niedliches Mädchen mit Gitarre“, die für ihr Debüt „Sweet Heart Fever“ noch zutreffend schien, ließ sich nicht mehr halten, plötzlich war sie ein lautes Mädchen am Schlagzeug – und gefährlich! „I am an emergency vehicle“ sang sie damals. Da wundert es einen nicht, daß das Spiel der Identitäten auf „Kidnapped By Neptune“ weitergeht.
Der Planet Neptun stelle – astrologisch betrachtet – die Grenzen der eigenen Identität in Frage, um so das eigene Selbstbild zu erweitern, erklärt Scout Niblett. Tatsächlich scheinen sich langsam die Beschränkungen des immer noch vorherrschenden Grungegeschulten Steve-Albini-Rumpelsounds aufzulösen. Der unwiderstehliche Titelsong belehnt einen Salt’n’Pepa-Refrain, auf „This City“ begleitet sie sich am Jazzklavier. In „Pom Pom“ ringt sie um Anerkennung: „Everybody needs someone to spell out their name in a Iittle song“, nur um diese im nächsten Song selbst zu geben „Lullaby For Scout In 10 Years“.
Wenn Neptun bis dahin nicht abläßt von seiner Geisel, können das spannende zehn Jahre werden.
„Come on Scout relax/ Nothing’s yours anywhere/ Come with your noise, your Iittle voice/ It’s the only way to relax.“