TORTOISE – TNT :: CITY SLANG/EFA

Tortoise sind keine Band, Tortoise sind ein Ensemble. Also ein Haufen unterschiedlicher Musiker, die sich schon mal selbst in die Quere kommen können, sich jedoch zu magischen Momenten hochschwingen, wenn alle an einem Strang ziehen. Spielfreude ist hier der Untergang, Disziplin ein Muß. Da sollten wir uns nicht von der Tatsache täuschen lassen, daß die dunklen und weihevollen Sound-Ströme ihrer beiden ersten Alben klingen, als schlafwandelten fünf Menschen mit demselben Traum im Kopf durch eine Katherdrale. Der Konsens und die Einheit ist bei dem Unternehmen aus Chicago hart erkämpft.

„TNT“ ist das dritte reguläre Album von Tortoise. Das schwierige dritte, wie Journalisten gern sagen, und für Musiker, die als Götter des Postrock, mithin als echte Epochemacher, bis ins Feuilleton weitergereicht worden sind, ist das natürlich ein besonders schwieriges drittes Album. Diesmal hört man dem Werk tatsächlich an, daß es erkämpft worden ist, was nicht schlecht sein muß: Zum ersten Mal sind so was wie Kompetenzverschiebungen und Machtgefüge, ohne die es auch bei dem instrumentalen Impromptu-Rock von Tortoise nicht geht, erkennbar.

Nicht zu leugnen ist der Einfluß, den die beiden Percussionisten Dan Bitney und John Herdon in der Zwischenzeit gewonnen haben. Vor ein paar Monaten brachten sie mit ihrem Zweitprojekt Isotope 217 ein Album heraus, durch das die Meßlatte für – nun ja – Rockmusik jenseits von Rockmusik extrem hoch gehängt wurde. Ein Teil des auf „The Unstable Molecule“, so der Titel, entwickelten Idioms wird jetzt auf „TNT“ wieder herausgekramt: geheimnisvoll trudelnde Bläsersätze, enigmatische Funk-Rhythmen. Und mit Jetty“ wird dann noch einmal das Thema aus Isotopes „Le Jete C“ aufgegriffen und im Tortoise-Kontext neu verhandelt.

Überhaupt: Verhandlungssache ist auf auf diesem Album alles. Weshalb sich Tortoise heuer im besten Sinne kämpferisch, machmal aber auch geradezu ein wenig verzweifelt aufführen. Aber das muß natürlich so sein, wenn warme Riff-Böen im Stil der befreundeten Eleventh Dream Day („TNT“) auf die geometrisch genaue Minimal Music eines Steve Reich treffen („Ten-Day Interval“).

„TNT“ ist kein Meisterwerk, das macht aber nichts. Denn die hier ausgestellte Zerrissenheit zeigt nur um so deutlicher, mit wem wir es bei Tortoise zu tun haben: Instrumentalisten der Weltklasse. Das ist immerhin auch viel wert.

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