Sergeant Popper

Der Hamburger Band Schrottgrenze ist es gelungen, vom Popel-Punk zum großen Song durchzudringen

Erstes Thema, wie immer: der Bandname. Dass er aus der Anfangszeit der Gruppe Schrottgrenze stammt, das merkt man wohl. Aus der Gründungsphase in Peine-Salzgitter, „Stahlstadt“, sagt Sänger und Songwriter Alex Tsitsigias. „Unser Proberaum lag genau zwischen zwei Schrottplätzen. Und wenn man in der Region im Punk-Kontext unterwegs war, standen die autonomen Zentren immer irgendwo an den Bahngleisen oder am Kanal zwischen Schutthalden.“ Wenn’s nur der Name ist, ist von damals eigentlich wenig hängengeblieben.

Denn Schrottgrenze haben es tatsächlich geschafft, von der Schülerband zum respektablen Act zu wachsen. Im Lauf von Jahren, in denen praktisch nichts auf zukünftigen Erfolg hindeutete. In denen sie auch noch den äußerst problematischen Wandel vom Nasenpopel-Teenager-Punk zum anspruchstauglichen, tiefbreiten Gitarrensong meistern mussten. Als Alex Tsitsigias mit 13 zur ersten Probe ging, hätte er sicher nicht geglaubt, dass er mit 28 als einer der intelligentesten Rocktexter Hamburgs gelten würde.

„Unsere M ischung haben schon damals viele Leute nicht begriffen“, erzählt er aus Punktagen, „weil es nur Schwarz oder Weiß gab, Fun oder Polit. Unsere Musik wurde mit der Zeit immer melancholischer, die Themen zwischenmenschlicher-aber das Melodiöse war in der Punkszene ein No-Go. Da galt man als Pussy.“ Die Schülerstücke, veröffentlicht auf dem Punklabel eines Thyssen-Abteilungsleiters, hatten dennoch Titel wie „Amok in deinem Haus“, „Tod im Turm“ („Nach der Sendung brech ich ins Studio ein/ Erich Böhme schlag ich die Fresse ein“), „Deutschland erstickt an meinem Schuldenberg“.

Heute sind mit Tsitsigias und Gitarrist Timo Sauer die zwei zentralen Mitglieder noch dabei, das fünfte Album „Cháteau Schrottgrenze“ erschien 2006 bei der geachteten Firma Motor, jetzt auch das sechste, „Schrottism“. Und obwohl sie mittlerweile alles zu Ende komponieren, die Songs wie stabile Waffelkunstwerke arrangieren, eher an die großen Kaktusblüten amerikanischer Campusgärten erinnern als an Bierkeller und Tsisigias den Ton hat, dem man anhört, dass jedes Wort gewählt wurde – ein wenig von der Haltung der kleinen Rattenpunks ist da noch. Der Hass, der im unglaublichen „Am gleichen Meer“ in den Eislcugeln im Strandcafe steckt. Die Tiere, die sich in „Hinterland“ nach natürlichen Feinden sehnen. Das Sodbrennen, das im denkenden Kopf hochsäuert, wenn er in „In Verhältnissen dieser Art“ die doofe Welt sieht.

Falls Schrottgrenze außer dem Namen doch noch etwas mitgenommen haben aus den alten Schrottzeiten, dann ist es dieses Misstrauen. Gegen die Kumpeligkeit, die auch kritischere Geister im deutschen Rock schnell befällt. „Was wir in den ersten Jahren gemacht haben, war immer ein sehr impulsiver Ausdruck“, sagt Alex Tsisigias. „Dass wir erst relativ spät begonnen haben, unsere eigene Haltung bewusst zu analysieren – das hat unsere Geschichte mitgeprägt.“ Denn sie wissen, was sie tun.

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