Soundtrack Of Our Lives – Große Verbeugung

Stefan Gwildis liebt natürlich den US-amerikanischen Soul - aber seine große Heldin ist Hildegard Knef.

Im Plattenschrank meiner Eltern standen nur vier oder fünf Alben – darunter eines von Hildegard Knef. Sie war schon sehr früh eine große Heldin für mich; ich finde, sie hat eine ganz eigene Art, Dinge auszudrücken. In ihrem Gesang kam immer ein sehr menschlicher Punkt zum Ausdruck – sie war für mich immer jemand, der auch aus der Nachbarschaft hätte kommen können, weil sie ihre Geschichten so geradlinig erzählt hat. Sie hat mich auch als Sänger sehr geprägt. Manchmal habe ich das Gefühl, ich klinge wie Hildegard Knef, jedenfalls muss ich beim Singen oft an sie denken – sie verzögert und schleppt und ist selten im Timing, das ist eine große Vortragskunst. Meine Lieblingsplatte von ihr ist „Halt mich fest“, ein Album aus den mittleren Jahren ihrer Karriere. Da kommt alles schön auf den Punkt – die Musik von Hans Hammerschmid ist großartig, die Arrangements sind nicht überladen, und Hildegard Knef phrasiert wie eine Weltmeisterin. Wenn ich an sie denke, sehe ich immer dieses alte Decca-Cover vor mir: sie auf dem Fischgrät-Eichenparkett, natürlich rauchend. Ich war auch lange ein leidenschaftlicher Raucher, aber ich habe glücklicherweise aufgehört.

Ich habe nie ein Konzert von ihr gesehen, aber sie immerhin einmal bei einer Talkshow im Schmidt-Theater in Hamburg erlebt, wo ich mir dann auch ein Autogramm geholt habe. Ich war total aufgeregt, als ich vor ihr stand, und habe nur ein paar knappe Worte herausgebracht. Sie war für mich nicht eine Kollegin, sondern ein Star – sie hatte eine Ausstrahlung, da standen alle stramm, wenn sie in den Raum kam. Ich hatte bei ihr immer den Eindruck, dass sich ihr Leben in ihrer Musik widerspiegelte – sie hat mit Sachen gehadert und gekämpft, war selbstkritisch und hat Verluste einstecken müssen. Sie war dabei immer sie selbst – das ist etwas, das mich an Künstlern beeindruckt. Wenn ich jetzt mal den Sprung mache zu meiner anderen großen Liebe – dem US-amerikanischen Soul -, finde ich ähnliche Menschen. Bill Withers, Billy Paul, das sind Leute, die nicht gecastet wurden oder etwas auf Bestellung gemacht haben, sondern die ihre Kunst aus sich selbst heraus entwickelt haben. Das ist mir auch für meine eigene Musik sehr wichtig.

Ich durfte kürzlich bei einer Hildegard-Knef-Gala zum zehnten Todestag den Song „Halt mich fest“ intonieren. Kolleginnen wie Pe Werner und Barbara Schöneberger waren da, eine Big Band hat gespielt, und im Hintergrund liefen Bilder von Hildegard Knef. Das Ganze war eine große Verbeugung vor ihr.

Das neue Album von Stefan Gwildis ist gerade bei 105 Music erschienen.

Es heißt „Freihändig“.

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