Swingin‘ Stockholm

Muss Schweden-Pop immer britisch klingen? Eskobar raten ab vom Umzug nach London

Ein Foto braucht man nicht mal mitzubringen. Man muss nur einen „Eskobar-Schnitt“ verlangen, wenn man in Stockholm zum Haareschneiden geht, dann wird der Friseur wissend nicken und das Richtige tun. Der Unterschied zum letzten großen Frisuren-Phänomen der Popgeschichte (Liverpool, frühe Sechziger) ist, dass die drei Eskobar-Jungs das Pony etwas fransiger tragen. „Als Teenager waren wir Indie-Kids“, sagt Gitarrist Frederik Zäll „da hatten alle diesen Schnitt. Wir haben ihn einfach behalten.“ Was für schwedische Bürger immerhin so exotisch wirkt, dass Schlagzeuger Rob Birmings Eltern von einer Nachbarin gefragt wurden, warum der Sohn denn jetzt Perücke trage.

Als die Band frisch geboren war, das geben die drei Eskobars zu, sei auch die Musik eins zu eins nach englischem Vorbild modelliert gewesen. Ein Ansatz, mit dem skandinavische Bands immerhin ihre Nische im Gitarren-Untergrund verteidigen: Kent, die Wannadies oder The Crash jangeln und orgeln britischer, als es sich eine Gruppe von der Insel je erlauben würde. Eskobar haben längst andere Routen genommen, lassen die Saiten manchmal jammern wie der amerikanische Highway-Wolf Chris Isaak, erinnern mit ihrem Keyboard-Fluff oft sogar an A-Ha. „Why London?“ heißt ein Stück auf der neuen Platte „There’s Only New“, in dem Sänger Daniel Bellqvist empfiehlt, nicht in die swingende Metropole zu ziehen. Vielleicht, um ein Zeichen gegen das Stil-Diktat zu setzen. Vielleicht auch nur, weil es um eine Frau geht, die er nicht verlieren will.

Bellquist changiert sowieso gerne hin und her zwischen den Rollen des kindlich Naiven und des vom Leben geräderten Melancholikers. „Good Day For Dying“ war der bezeichnende Titel des letztjährigen Eskobar-Hits, aber mit der wachsenden Popularität hat sich auch die musikalische Stimmung aufgehellt. Bei der Eröffinungs-Party für die europäischen MTV Music Awards 2000 spielte die Band als Vertreter Schwedens vor geschätzten 50 Millionen Live- und Fernseh-Zuschauern. Dazu die Sache mit dem Frisuren-Kult Grund zur Klage haben Eskobar eigentlich nicht.

Manchmal holt einen dann die nationale Pop-Tradition ein: Per Gessle, Chef der schwedischen Schmieren-Eurythmics Roxette, hat die erste Eskobar-Platte „TU We’re Dead“ jüngst zu seinem Album des Jahres erklärt. Das Kompliment hätten sie gar nicht gebraucht.

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