Talking Heads 2023: War das nun ein Comeback?

Die Talking Heads haben sich für einen Promo-Termin wiedervereint, um noch einmal an die künstlerische Sprengkraft ihres Konzertfilms „Stop Making Sense“ zu erinnern. Ein freundlicher Auftritt mit Signalwirkung.

Man könnte die Talking Heads mit einem geschiedenen Ehepaar vergleichen, das sich über die Jahre nicht mehr gesehen hat und auch bis zuletzt kaum ein gutes Wort für den anderen übrig hatte, nun aber als Erinnerung an den einstigen Hochzeitstag Jahrzehnte später noch einmal gemeinsam essen geht, um mit freundlichen Anekdoten, aber auch einer etwas steifen Bemühtheit, die schönen Zeiten Revue passieren zu lassen.

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Am Wochenende kamen kamen alle vier Mitglieder der Talking Heads – David Byrne, Tina Weymouth, Chris Frantz und Jerry Harrison – für die Wiederaufführung von „Stop Making Sense“ im Rahmen des Toronto International Film Festival (TIFF) für eine Pressekonferenz zusammen. Der Auftritt war lange angekündigt worden, das Gespräch mit Regisseur Spike Lee (der zuletzt die Broadway-Aufführung von Byrnes „American Utopia“ in Szene setzte) blieb brav und auch recht kurz. Nicht einmal eine halbe Stunden sprach die Gruppe von der Vergangenheit – und druckste dabei viel herum. Es wirkte nicht so, als wäre man einstmals im Streit auseinander gegangen, als hätte ein Sänger seine Kollegen einst, wie zuletzt vom Ehepaar Frantz/Weymouth zu hören war, wie Bedienstete behandelt. David Byrne lachte eigentlich die ganze Zeit.

„Stop Making Sense“ ist echtes Kino, nicht nur ein Konzertfilm

Der Anlass war ja ein nostalgischer: Jonathan Demmes ikonischer Film, der die Talking Heads in Höchstform und mit einem so bahnbrechend originellen Bühnenkonzept in Szene setzte, wurde vor 40 Jahren aufgezeichnet, kam 1984 in die Kinos und ist bis heute ein singuläres Kunststück dieses eher schwierigen Genres mit wenigen Überrschungsmöglichkeiten geblieben. Klar, von den Rolling Stones bis Taylor Swift zeigen sie alle in Bühnenfilmchen ihre Muskeln, aber meistens ist es nur eine bemühte Bebilderung von Live-Momenten. Künstler bei der Arbeit.

Das ist im Fall von „Stop Making Sense“ anders. Der Oversized Suit von David Byrne allein hält die Erinnerung an den Film wach, vielleicht ebenso, dass hier die Musiker auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs sind (die Künstlerbergerklimmung war ja bereits mit „Remain In Light“ erreicht, pünktlich dazu transformierten sich die Talking Heads bei Konzerten von Minimalisten zu einer vielköpfigen Weltmusikcombo). Wobei Letzteres unter Radiomaßstäben gar nicht stimmt: „Road To Nowhere“ kam erst etwas später, und wenn man die Menschen auf der Straße nach einem Lied der New Yorker fragt, dann gibt es meist nur eine Antwort.

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Aber ist das nun ein Comeback, das die Talking Heads hier feiern? David Byrne schloss ja schon mehrfach aus, dass die Band sich – vom Hall-of-Fame-Auftritt abgesehen – jemals wieder zusammenschließen könnte. Damit meinte er wohl definitiv: No Reunion! Aber wie andere Musikgruppen auch, die längst aus dem Spiel sind, will eben die einstige Goldgräberzeit gefeiert und das einst revolutionäre Material poliert werden.

Jerry Harrison, der auch schon wichtigste Bezugsperson für das glänzende digitale Remastering der Alben war (die allerdings auch einmal wieder aufgelegt werden könnten!), sagte dann auch während des Q&A, wie wichtig es war, den Film an die technischen Standards von heute anzupassen. Damals habe man schon völlig neuartige digitale Audio-Kassetten für die Aufnahmen benutzt. Es sei daher logisch gewesen, auch bei der Neuauflage wieder die neuste Technik aufzufahren.

Eine Reunion-Tour wird es (wohl) nicht geben

Dass die Talking Heads eine weitere Tour-Runde drehen würden, hätte gar nicht eigens gefragt werden müssen (wurde es dann aber doch, freilich ohne gewünschte Antwort), es reichte schon eine Frage aus, welche Inspiration denn die Zusammenarbeit mit Demme für die eigene musikalische Reifung und vor allem das spätere Solowerk der einzelnen Musiker brachte. Verhaltenes Schweigen. Chris Frantz schüttelte eine nette Antwort aus sich heraus.

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Die Talking Heads sind womöglich keine guten Nachlassverwalter ihres Werkes. Ein „verschollenes Album“ deutet sich am Horizont nicht an, zu wenig ausgereift klangen zumindest die Demos und Soundschnipsel, die es zu den Sondereditionen der Platten dazugab.

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Womöglich ist das eben auch ein Zeichen, dass sich diese Band in den wenigen gemeinsamen Jahren (aneinander) abgearbeitet hat. Ein Comeback ist so kaum notwendig, alles Entscheidende ist gesagt, gesungen und im Fall dieser Band auch noch auf Film und Tonband festgehalten (man nehme hier noch die fabelhafte, sehr aussagekräftige Live-Compilation „The Name Of This Band Is Talking Heads“ hinzu). Es bleibt die Erinnerung an viele „Once In A Lifetime“-Momente – und damit verblasst auch der Streit der Vergangenheit.

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