Till Lindemann neues Video „Und die Engel singen“ ist eine David-Lynch-Hommage
Der Rammstein-Frontmann veröffentlicht überraschend einen neuen Song samt verstörenden Musikvideo.

Till Lindemann zeigt mit seiner neuen Single „Und die Engel singen“ einmal mehr, dass Provokation für den 62-Jährigen auch ein künstlerisches Markenzeichen ist. Der Song erschien überraschend an diesem Mittwoch – begleitet von einem brutalen und provokanten Musikvideo. Dieses ist wie immer nichts für Zartbesaitete.
Ein Blick auf das Video
Das Musikvideo zu „Und die Engel singen“ ist eine verstörende, blutige Bilderreise durch Schmerz, religiöse Symbolik und körperliche Grenzerfahrungen. Lindemann selbst taucht in verschiedenen Rollen auf: als leidender Prophet, als gefallener Engel, als Erlöser ohne Erlösung. Die Ästhetik ist düster und surreal, stark beeinflusst vom Werk des US-amerikanischen Regisseurs David Lynch, dem der Clip in der Infobox des Videos ausdrücklich gewidmet ist.
Rammstein verdanken dem im Januar 2025 verstorbenen Filmemacher ihre internationale Karriere. Lynch verwendete zwei Rammstein-Lieder in seinem 1997er-Film „Lost Highway“ und machte die Berliner dem weltweiten Publikum bekannt.
Engel mit blutverkrusteten Flügeln, zitternde Hände, zerbrochene Körper, ausdruckslose Blicke – „Und die Engel singen“ schwankt zwischen sakraler Verehrung und körperlichem Ekel. Es ist eine bildgewaltige Allegorie auf Schuld, Ausgrenzung und spirituelle Hoffnungslosigkeit.
Der Text: Himmel ohne Platz
Inhaltlich bleibt der Rammstein-Frontmann seiner Handschrift treu: Der Songtext ist düster, metaphorisch aufgeladen und enthält jene Mischung aus Verzweiflung, Sakralität und derbem Realismus, die er seit Jahren pflegt.
Zeilen wie „Die Seele krank, der Hoden schreit“ oder „Doch im Himmel ist kein Platz für mich“ geben Einblick in eine existenzielle Krise, die zwischen Reue und Trotz schwankt. Die Engel singen – aber nicht als Trost, sondern als mahnender, fast höhnischer Chor, der dem lyrischen Ich seine Ausgeschlossenheit aus dem Paradies besiegelt.
Kunst oder Kalkül?
Der Song erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem Lindemanns künstlerisches Werk untrennbar mit seiner öffentlichen Persona und den Skandalen der vergangenen Jahre verknüpft ist. Insbesondere die im Jahr 2023 laut gewordenen Vorwürfe rund um Machtmissbrauch und unangemessenes Verhalten gegenüber weiblichen Fans im Rahmen von Rammstein-Konzerten überschatten sein Image massiv – auch wenn rechtlich bis heute kein Schuldspruch erfolgt ist.
Lindemann selbst hat sich seither nur indirekt zu den Vorwürfen geäußert – meist durch Kunst. Auch „Und die Engel singen“ lässt sich in diesem Kontext lesen: als Inszenierung eines gefallenen Sängers, der sich zwischen Schuld, Selbstmitleid und Außenseitertum bewegt.
Die Frage bleibt: Ist das provokative Video eine schonungslose Selbstanalyse oder ein gezieltes Ablenkungsmanöver? Die Antwort liegt – wie so oft bei Lindemann – im Auge des Betrachters. Durch seine anhaltenden Kontroversen und Provokation bleibt Till Lindemann eine der ambivalentesten Figuren der deutschsprachigen Musikkultur. Ob man ihn als Künstler schätzt oder ablehnt: Ignorieren lässt er sich nicht.