Und so war’s: Jane Birkin sang Serge Gainsbourgs „via Japan“ in der Berliner Philarmonie

Am Freitagabend interpretierte Jane Birkin in der Berlin Philharmonie die Songs ihrer großen Liebe Serge Gainsbourg. Jacqueline Krause-Blouin war für uns vor Ort.

Die japanische Katastrophe diesen Jahres hinterlässt wohl bei vielen von uns das Gefühl, schrecklich klein zu sein. Auch Jane Birkin, die sich schon seit den 70er Jahren für humanitäre Angelegenheiten verschiedenster Art engagiert, spürte diesen rasenden Moment der Machtlosigkeit. Dieses „Ich muss da hin, ich muss etwas tun.“ Nur was? Was könnte jemand wie die Birkin tun?

An einem Freitag im April telefoniert sie mit dem Konzertveranstalter in Japan, am Montag ist sie vor Ort, Japans beste Musiker warten bereits auf die Frau mit der unverwechselbaren Zahnlücke. Das spontane Benefizkonzert „Together For Japan“ – ein Erfolg, sofern man in solch einem Kontext überhaupt von Erfolg sprechen kann. Birkin ist nicht Bono, braucht keine Kamerateams. Alles was sie möchte: „Dass diese Menschen wenigstens eine Stunde lang an etwas anderes denken.“

Das Angebot mit der Show auf Tour zu gehen folgt sogleich. Birkins Bedingung: Nur in Begleitung der japanischen Kollegen .

Hier steht sie nun auf dem Podium des Kammermusiksaals der Berliner Philharmonie. Die einstige Stilikone, berühmt für ihren androgynen Sexappeal, gibt sich bescheiden. Schwarzer Cardigan, Leinenhose, flache Schuhe. Aber dieses Lächeln, dieses Lächeln braucht keine Overknees.

Andächtig umrahmt von den japanischen Musikern erster Klasse, eine interessante Mischung aus Piano, Drums, Trompete und Geige für Arrangements von zuckersüß bis gewagt. Der Pianist und Artistic Director Nobuyuki Nakajima fühlt jedes Wort, jede Note, ohne auch nur einmal Augenkontakt mit seiner Sängerin herzustellen, obwohl sie sich so darum bemüht. Generell sind die Musiker zwar technisch brillant aber etwas zu ehrfürchtig. Nur der Drummer blinzelt fröhlich, als wäre er kurz davor den Entertainer rauszulassen.

Ein bisschen seltsam ist sie schon, diese Jane Birkin mit ihrer zerbrechlichen Mädchenstimme. Schließt man die Augen, kann man es nicht fassen, dass diese einer 64jährigen gehört, und man fragt sich, ob sie mit dieser Stimme ein ganzes Konzert tragen kann.

Sie singt ja nicht wirklich. Sie hat das technisch richtige Singen nie gelernt, aber sie interpretiert, sie erzählt Geschichten und man glaubt ihr jedes fremde Wort, alles gehört ihr. Es scheint als singe Serge Gainsbourg durch sie hindurch. Auch nach seinem Tode benutzt er sie noch, er inszeniert sie noch immer, wie ein Marionettenspieler aus dem Jenseits, wie damals, als er die junge Jane mit den Bambi-Augen und der berühmten Ponyfrisur für das skandalöse Foto nackt an eine Heizung kettete. Und sie lässt es zu. Noch immer. Nur mittlerweile lässt sie es bewusst zu und nicht aus Angst ihn zu verlieren. Wie auch, er wird für immer mit ihr verbunden sein, dieser Schatten des Serge. Und Jane Birkin, das Medium, lässt es zu. Vorbei die Zeiten in denen stets ein Kajalstift auf dem Nachtschränkchen bereit lag. Vorbei die Zeiten in denen sie panische Angst davor hatte, dass ihr Mann aufwacht und merkt, dass sie in Wahrheit gar nicht solch große Augen hatte.

Nach den ersten zwei Songs taut ihre Stimme auf, gewinnt ein bisschen an Tiefe. „Di Doo Dah“ wirkt trotz fortgeschrittenen Alters der Interpretin kein bisschen albern, sondern angenehm verspielt. Die Birkin ist voller Leben, rennt von Musiker zu Musiker, lässt die Violinistin bei „Comic Strip“ Manga-Geräusche machen, setzt sich schon mal auf den Boden und folgt jedem Impuls, fast hektisch, immer noch ein junges Reh.

Wie muss es sich anfühlen ein Lied zu singen, das von jemand anderem über sich selbst geschrieben wurde? „Jane B.“ singt sie und die „Ballade de Johnny-Jane“.  Auch die typischen gainsbourgischen Wortspiel-Hits wie „Baby Alone in Babylone“ oder „Mon Amour Baiser“.

Jane Birkin, die bezaubernde Mischung aus eleganter Lady, unschuldig sinnlichem Schulmädchen und kämpferischer Aktivistin. Sie stolpert nicht mehr zufällig in einen Antonioni Film, sie trifft bewusste künstlerische Entscheidungen, sie wirkt gelassen und bei sich und echt. Jane Mallory Birkin ist eine berührende Künstlerin mit dem fesselnden Charme einer ewigen Kindfrau.

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