Werner Herzog würdigt seinen Traum Klaus Kinski, dessen einzige Regiearbeit erstmals in deutschen Kinos anläuft

Die Leute sagen, er sei ein Treu zittert vor Erregung eine Frauenstimme. In der eckigen Krümmung seines Leibes lag eine schauerliche Hölzernheit und zugleich etwas Närrisches. Das lange Haar bildete einen dunklen Rahmen um das leichenartige Gesicht, worauf Kummer, Genie und Hölle unverwüstliche Zeichen eingegraben hatten. So hässlich, ich mochte dich nicht mal. Ein lächerlicher Mann. Trotzdem war es unmöglich, ihn nicht zu lieben.

Die verwirrte Hingabe vermischit Notizen von Heinrich Heine, der 1830 den italienischen Musiker Nicolo Paganini erlebt hatte, mit äquivalenten Ansichten, wie die Öffentlichkeit Klaus Kinski sah und er sich selbst. „Kinski Paganini“ nannte er seine seelenverwandte Metamorphose und einzige Regiearbeit, die auf einer schicksalhaften Begegnung beruht. In den Sechzigern erblickte er im Schaufenster eines Wiener Geigenladens das Bild „eines ungewöhnlich aussehenden Mannes. Sein Gesicht war wild und von Leidenschaft verwüstet“ Stunden starrte er es an, dann fragte er, wer das sei? „Paganini“. Er stürzte auf die Straße und rief: „Ich hatte nicht gewusst, dass ich Paganini war!“

Kinskis Identifikation mit dem „Teufelsgeiger“, wie Paganini wegen seines ekstatisch-verhexten Spiels und der unersättlichen Begierde nach blutjungen Mädchen genannt wurde, weitete sich zu einem bizarren Reinkarnations-Fimmel aus. Er hortete alles, was von seinem Abbild überliefert und übrig geblieben war, erlangte gar „durch einen einflussreichen homosexuellen Mönch Zutritt zur Bibliothek des Vatikans“, wie es in Kinskis Biographie heißt. Parallelen, von der niederen Herkunft, autodidaktischen, kompromisslosen Begabung, den rastlosen Extremen aus Ruhmesrausch und vebitterter Isolation bis zur hochmütigen Amoralität, fanden sich zuhauf, ab habe er alles um ein Gefühl herum erfunden: „Ich spüre die gleiche Triebhaftigkeit wie Paganini.“

Erst 1987 finanzierte ein Produzent sein „Stenogramm“ genanntes Script.

Die Rolle von Paganinis großer Liebe besetzte er mit Debora Caprioglio, seiner erst 17-jährigen, letzten Geliebten. Natürlich vögelt Paganinski ohne Unterlass, allegro, andante, da capo, unterlegt mit den von Salvatore Accardo interpretierten Soli, auch gilt die Violine als Vagina- und der glühende Bogen ab Penis-Symbol. Aber diese Szenen haben oft die Komik eines verzweifelt Getriebenen. Und für seinen geliebten Sohn, der still um ein normales Familienleben ringt, entlockt jener demselben Instrument zärtliche Wiegenlieder. Der Knabe wird von Kinskis Sohn Nanhoi dargestellt Beide waren fast gleich alt, als ihre Väter starben.

Nach einem Streit mit seinem Produzenten lief sein Lebenswerk 1990 in nur einem Kino von Rom an, wo es Carsten Frank während der Fußball-WM sah. Er bat von „Kinski Paganini“ so bessessen, wie es Kinski von Paganini war. In einem „Akt der Liebe“ wagt er nun die „Wahnsinnstat“, als Privatier den Film hier zu zeigen (ab 7.10.). Bereits die detailversessene Eröffhungsszene lohnt, die dem Takt der Musik folgt 3000 Kerzen erhellen die Oper, ab der „Vampyr mit der Violine“(Heine) erscheint und Töchter beglückt weinen und fiebern, während Debora in einer rasenden Kutsche stöhnt, sich streichelt, die erruptiven Töne in ihrem Schoß brennen.

Werner Herzog hat dazu am Anfang von, Alein liebster Feind “ eine adäquate Szene montiert. Kinski, der 1971 mit einem anarchistischen Erbauungs-Programm tourte, steht in einer Halle und keift: „Ich bin nicht euer offizieller Kettenjesus. Politiker, Polizisten, Offiziere, Bankiers: Ich bin nicht euer Superstar.“ Das Publikum glotzt, Pfiffe und Jubel schwülen zum Crescendo an. „Er konnte unglaublich schreien und 48 Stunden toben“, erzählt der Regisseur mit sanfter Stimme. „Er war wie ein Kraftwerk, an das man sich anschließen wollte.“ Seine fünf besten Filme hat er mit ihm realisiert, ab odd couple zwischen Hysterie und Chaos, Terror und tiefster Zuneigung, was Herzog in seiner anekdotischen Hommage an Kinski nicht ganz uneitel, aber auch selbstironisch dokumentiert: „Kinski schimpfte maL ich sei größenwahnsinnig geworden, und ich sagte: Dann sind wir ja zu zweit.“

Einmal brachte er Kinski zur Räson, ab er ihn zu erschießen drohte, lehnte das Angebot eines Amazonas-Häuptling jedoch ab, der den entfesselten Dämon umbringen wollte. Bei ihm waren ja alle Klischees stets schon da und wahr. Dieses amüsante, berührende Zeugnis legt noch mal den schizophrenen Nimbus der Diva und Dirne, des Berserkers mit der Kinderseele offen. In 150 Filmen habe er nicht gelächelt, so Herzog, nur in „Fitzcarraldo“ neben der Cardinale. Und bei einer zufälligen Aufnahme, ab ein Schmetterling aufgeregt um Kinskis Kopf flattert.

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