Das leichtere Leben

Kaum hat James Dean Bradfield sein Solo-Album fertig, steht er schon wieder mit den Manie Street Preachers im Studio

Man erfährt viel über James Dean Bradfield, wenn man einfach nur neben ihm steht auf dem schmalen Gang des Berliner Plattenfirmenbüros. Nebenan wird pausenlos gegrölt, „Public Viewing“ natürlich, aber hier ist alles ruhig, selbst der Manager spricht nur leise ins Handy. Bradfield schleicht so unauffällig herum, dass man ihn auch für den Techniker halten könnte, der den Kaffeeautomaten reparieren will. Er ist 37 Jahre alt, mehr als die Hälfte seines Lebens singt er schon bei den Manie Street Preachers, doch erst jetzt wagte er sich an sein erstes Soloalbum, „The Great Western“. Von einem Label-Mitarbeiter wird er ganz vorsichtig gefragt, ob es ihn störe, wenn auf dem Debüt ein Sticker klebt mit den Worten „Voice of Manic Street Preachers„. Bradfield schüttelt gleichmütig den Kopf: „Solange es die richtige Band ist.“ Er hat mal ein Interview gemacht mit einer Dame, die ihn für den Sänger von Suede hielt, das war nicht so schön. Er sprach trotzdem zehn Minuten mit ihr, ohne die Sache richtigzustellen.

James Dean Bradfield wirkt gelöst – zumindest, solange er rauchen darf wie ein Schlot, und so sind auch seine Songs. Die Leichtigkeit, mit der er schwelgerische Pop-Perlen ¿wie „That’s No Way To Tell A Lie“und „Which Way To Kyffin“ zu Papier gebracht hat, überrascht doch ein wenig. Was Songtexte angeht, ist er schließlich noch ein Anfänger – bei den Manics waren dafür immer Richey Edwards und Nicky Wire zuständig. „Ich habe mein Leben lang deren Texte gesungen, und ich schätze die beiden wirklich sehr. Zu Beginn war ich deshalb natürlich unsicher, aber dann wurde mir klar. Die schreiben über Dinge, die sie verstehen. Ich schreibe, um Dinge zu verstehen. Anderer Ansatz. Man sollte das eine gar nicht mit dem anderen vergleichen. Außerdem ist mein Album insgesamt ja ganz anders, eher luftiger. Nick, Richey und Sean hatten stets die Tendenz, meinen Einfluss herauszufiltern. Ich habe viele guilty pleasures. Ich mochte immer ELO, richtigen Pop, auch Motown und so.“

Um die Manics muss man sich trotz der Pause, die sie sich selbst verordnet haben, keine Sorgen zu machen. Die drei stehen sich nahe wie eh und je. „Wir spielen seit 1985 zusammen. Man weiß die Telepathie, die es zwischen uns im Studio gibt, erst richtig zu schätzen, wenn man mal mit anderen Leuten gearbeitet hat, die einen nicht sofort verstehen.“ Schlagzeuger Sean Moore ist ja Bradfields Cousin, und mit Bassist Wire spricht Bradfield mehrmals täglich.

Wire trug auch den Songtext zu „Bad Boys And Painkillers“ bei, und das kam so: „Nick kam im Studio in Cardiff vorbei, und ich habe ihm den Song vorgespielt, zu dem es noch keine Lyrics gab. Er mochte ihn- und dann zog er einen Zettel aus seiner Tasche und sagte: ,Ich habe hier einen Text übrig… ‚You fucking kidding me?‘ Ich weiß ja, dass er Fragmente rumschleppt, aber einen kompletten Text, der dann auch noch zu der Melodie passt? ,Naja‘, meinte er, ‚ich dachte, du könntest den brauchen.‘ Danke fürs Vertrauen!“ Bradfield feixt, er war seinem besten Freund natürlich nicht böse.

Am nächsten Manics-Album wird jetzt schon gearbeitet, 2007 soll es fertig sein. „Es wird gitarrenlastiger, mehr Rock’n’Roll. Ein bisschen „Every thing Must Go“ mäßig, aber größer. Es klingt nach einer Band, die Spaß hat und nicht zu viel darüber nachdenkt.“ Und damit nicht genug: Im September erscheint nun tatsächlich auch noch ein Soloalbum von Nicky Wire. Wie Bradfield es findet? „Da sind ein paar brillante Songs dabei, einer heißt ‚Goodbye Suicide‘. Den wollte ich eigentlich für mich haben. Nicks Gesang klingt wie eine Mischung aus Katharine Hepburn und Mark E. Smith, sehr expressiv.“ Andere sagen: gewöhnungsbedürftig. „Möglich. Aber auf vier Stücke bin ich trotzdem extrem neidisch.“ Als hätte er nicht genug eigene Trümpfe im Ärmel.

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