John Cale – Paris 1919

Gemeinhin gilt dieses Album von 1973 als Cales beste Arbeit. Weniger eklektisch als „Vintage Violence“ und zugänglicher als seine Avantgarde-Versuche, ist „Paris 1919“ romantische Kammermusik mit surrealistischer Poesie. Neben Cale selbst musizierte nur ein Trio: Lowell George leistete Hervorragendes an der Gitarre, William Felder spielte Bass, Richie Hayward das Schlagzeug. Cales Orgel und das Streichorchester der UCLA prägen so wunderbare Stücke wie „Child’s Christmas In Wales“, „The Endless PLain Of Fortune“ und „Andalucia“, zu schweigen von – „You Ye a ghost la la la la“ – „Paris 1919“. Der Berserker, der bald „Slow Dazzle“ liefern sollte, war hier noch ganz versponnener Künstler, der mit seiner ungeeigneten Stimme die zarten Weisen intonierte.

Diese definitive Edition beinhaltet einen einzigen bisher unbekannten Song, das Outtake „Burned Out Affair“, das besser zu „Vintage Violence“ gepasst hätte, aber die anderen Stücke in alternativen (freilich nicht überlegenen) Versionen oder „Rehearsals“. Was stets von sperrigen Platten behauptet wird, gilt ausgerechnet für diesen fein ziselierten und vollkommen klassisch komponierten Liederzyklus: „Paris 1919“ ist ein Wunderwerk an Ökonomie und Kammerpop-Ambiente. Den dezenten, spielerischen Fake-Reggae von „Graham Greene“ sieht Liner-Notes-Autor Matthew Specktor in der Music-Hall-Pop-Tradition und kann ihn sich auf einem Kinks-Album der mittleren 60er Jahre vorstellen (vielleicht ein wenig zu früh verortet). Vorstellen kann sich Specktor viel: „Proto-Nietzeanische Konzepte“ erkennt er hier, „Kleist und Schiller“ da.

Ich kann mir vorstellen, dass „Paris 1919“ seine Geheimnisse bewahrt. „Good neighbours were we all.“

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