Kante – Zombi

Wer die Filme von George Romero kennt weiß: Ein Zombie ist nicht einfach nur ein menschenfressendes Monster. In „Day Of The Dead“, dem letzten Teil der legendären Zombie-Trilogie des Regisseurs, erscheinen uns die Untoten als melancholisch torkelnde, unendlich traurige Bewohner einer Zwischenwelt: So fremd und bedrohlich diese Wesen wirken sie gehören (noch) zu uns.

Das Album „Zombi“ ist das bisher beste Werk der Hamburger Band Kante und in seiner ausdifferenzierten Vielseitigkeit ein Meilenstein der deutschen Rockmusik. Schon der Einstieg „Moon, Stars And Planes“ klingt, als hätten Grateful Dead ein Stück von Alice Coltrane gecovert: Ganz behutsam tasten sich die Instrumente aufeinander zu, der Gesang könnte auch aus einem Prefab Sprout-Song stammen. Das aufreizend langsame Spiel der Musiker kennt kein Ziel, hat keine Richtung und kreist dennoch um das Herz der improvisierten Musik – das blinde Verstehen, das traumwandlerische Miteinander.

Aber ist ein Zombie nicht auch ein Ausgestoßener? Man spürt die Einsamkeit, mit der Sänger Peter Thiessen durch die Welt der zehn meist überlangen Stücke wandelt. Ein Reisender, der die Welt wie unter Glas wahrnimmt – und dennoch so scharf beobachtet ab benutzte er eine Lupe. Aber vielleicht geht es Thiessen ja auch wie dem blinden Schwertkämpfer in Takeshi Kitanos Film „Zatoichi“: Der spürt, riecht, hört, fühlt so intensiv, dass er den banalen Augenschein nicht mehr braucht „Ich geh‘ durch die Straßen, im Innern der Stadt, und fühl‘ mich, als war‘ ich grad aufgewacht Alles ist hell, und doch scheint das Leben der Gänge und Wege erloschen zu sein. Die Kreuzungen schlafen, kein Hauch kommt vom Hafen. Der Flugplatz am Friedhof scheint außer Betrieb“, heißt es in „Im Inneren der Stadt“. Eine dunkle Metapher, vorgetragen mit der Eleganz apokalyptischer Dandys.

Beim Titelsong „Zombi“ offensichtlich bevorzugen Kante die falsche Schreibweise des Wortes, wie man sie aus italienisehen Trash-Filmtiteln kennt wird deutlich, wie wichtig für Thiessen seine Zeit bei Blumfeld war – und umgekehrt: Musikalisch ist „Zombi“ um Klassen besser als „Jenseits von Jedem“.

Dafür erinnern Zeilen wie „Ich kann’s nicht mehr ertragen, ich will die Nacht an allen Tagen“ stark an Distelmeyers Punchlines. Aber warum auch nicht? Es gibt noch soviel mehr zu entdecken. „Baron Samedi“, zum Beispiel, verbreitet die sinnlich mystische Atmosphäre eines haitianischen Voodoo-Rituals: Berauscht reiben sich satte Bläsersätze und exotische Perkussionsinstrumente aneinander und erzeugen so einen frei jazzenden Reggae. Wie zwei weitere wurde auch dieses Stück mitgeschrieben von Tobias Levin, in dessen Electric-Avenue-Studio das Album entstand.

Mehr als ein Jahr haben sich Band und Produzent Zeit gelassen, ein Großteil der Lieder wurde erst im Studio geschrieben und arrangiert So entwickelte sich ein magischer Sound, der aus dem Fundus der gesamten Musikgeschichte schöpft und dennoch in die Zukunft weist Eine Zukunft der Kollektive, nicht der Einzelkämpfer. So gesehen ist „Zombi „ein Befreiungsversuch: Nicht die Kugel im Kopf zählt, sondern das Verlassen einer unheilvollen Zwischenwelt.

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