Legend – Legend

Wer immer seinerzeit auf die Idee kam, die Platten von Mickey Jupp und seiner Band könnten auf dem Vertigo-Label bestens aufgehoben sein, muß doch etwas von Sinnen gewesen sein. Das war zwar unter anderem auch die Heimat von neuen Schwermetall-Champions wie Uriah Heep, nach deren Debüt ein amerikanischer Kritiker schrieb: „Wenn die es schaffen, werde ich Selbstmord begehen müssen.“ Aber im Grundsatz war das bei Phonogram als Sub-Label für ausgesprochen „progressiv“ gesinnte Musikanten mit beträchtlichen Jazz- und Fusion-Ambitionen konzipiert worden. Deshalb war es auch eher schwachsinnig, das in Amerika von Mercury veröffentlichte „The Rod Stewart Album“ mit neuer Cover Art unter dem neuen Titel „An Old Raincoat Won’t Ever Let You Down“ dorthin abzuschieben. Diese Platte hatte mit „fortschrittlicher“ Rockmusik so wenig zu tun wie die nachmals als „Red Boot“-Album legendär gewordene LP von Mickey Jupp & Co.

Daß die sich irgendwann von Orioles in Legend umbenannten, hatte nichts mit Hoffart oder Selbstüberschätzung zu tun, im Gegenteil: Auch als großer Fan des Rock’n’Roll der 50er Jahre und von allem Rhythm & Blues hatte sich Jupp als Mitbegründer des Pub Rock einen Sinn für (Selbst)Ironie bewahrt, Jahre bevor er mit „Old Rockn’Roller“ die passende Hymne dazu schrieb. Und niemand wäre blindlings auf die Idee gekommen, daß bei der Tony-Visconti-Produktion Yes-Tonmann Eddie Offord den klanglichen Gang der Dinge am Mischpult regelte. Bei „Cross Country“ mit der eingeschmuggelten Bo-Diddley-Hommage („Mona“) so wenig wie bei „Cheque Book“ mit dem von Chuck Berrys „Promised Land“ inspirierten Intro oder dem wunderbaren Novelty-Rock’n’Roll „My Typewriter“, den Mickey Jupp später einfach noch mehrfach neu aufnehmen mußte.

Ausgesprochen beatlesque klang „Five Years“, bei dem wohl doch einiges McCartney geschuldet war. Aus seiner Begeisterung für Chuck-Berry-Klassik machte er auch bei „Nothing Wrong With Me“ keinen Hehl, während „Somebody In Love“ natürlich mit Fats Domino im Hinterkopf komponiert war und anderswo Leiber & Stoller-, Frankie Ford- und Coasters-Klassiker anklangen. Und das 1971, als die ziemlich aus der Mode gekommen waren, bevor man sie wiederentdeckte. Jupp sah das auch überhaupt nicht als nostalgische Veranstaltung, wie sie damals mit verblüffendem Erfolg Sha Na Na inszenierten. Einige tolle Songs wie „Don’t You Never“ brachte Vertigo nur als Single, und die tauchten erstmals viele Jahre später auf dem „Oddities“-Album auf. Hier ist das einer von vier Bonus-Tracks. Auch das mit nicht ganz ernstgemeintem Melodrama gesungene „Life“, das – kaum zu glauben, aber Tatsache – ein Hit in Italien wurde. Vermutlich, weil dort niemand die Satire in dieser Kitsch-Ballade bemerkte.

Das Album wurde ein so katastrophaler Flop, daß erst die Dr. Feelgood- und Rockpile-Jungs Mickey Jupp dazu animieren konnte, wieder aus der Versenkung aufzutauchen. Jetzt gibt’s dieses Legend-Vermächtnis, erstklassig von Eroc remastered, wenigstens eine kleine Weile wieder in limitierter Auflage von 2500 Exemplaren.

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