Neko Case – Middle Cyclone

Diese Stimme klingt nach klarem Bergquellwasser, nach einer selbstbewussten Frau, die unterwegs ist zu ihrer eigenen kleinen Farm, irgendwo oben in den Bergen. Neko Case weiß, was sie will, der redet man nicht rein. Das zeigt auch das Cover ihres sechsten Studioalbums:

Wie eine Amazone mit feuerrotem Haar, kurzem Rock und gezogenem Schwert posiert die Sängerin und Songschreiberin auf der Haube eines alten Ford. Ganz so, als wollte sie den Westen noch einmal erobern.

Neko Case wird vom Musikhandel gern in eine Nische namens „Alternative Countrv“

gepackt, ein Begriff, der mindestens so blöde ist wie „Alternative HipHop“ — als gäbe es nur die reine Form, und jeder Abweichler muss dann eben mit der Einschränkung „Alternative“ bezahlen. Natürlich ähnelt der Gesang dem jener stolzen Frauen mit den Betonfrisuren und dem eisernen Lächeln, die man aus Nashville, Tennessee kennt. Auch die Musik enthält, wie die exzellenten Vorgängeralben, wieder Elemente aus der Country-Tradition. Doch genau das macht auch den Reiz von „Middle Cyclone“ aus – Country, Rock und Folk sind nur Facetten eines sehr eigenen Stils. Man hört, dass Neko Case zurzeit hin und her pendelt zwischen Tucson, Arizona, wo sie noch lebt, und einer frisch gekauften Farm in Vermont. Natur ist eins der großen Themen dieses Albums: „I’m An Animal“, „Magpie To The Morning“, „Polar Nettles“ – schon die Titel lassen keinen Zweifel. Dem entsprechend sind auch die Liebeslieder – ein Wirbelsturm wird in „This Tornado Loves You“ zum rasenden, kraftstrotzenden Liebhaber. Für Neko Case eine erschreckende, aber auch aufregende Aussicht. Die nahezu folkloristische Coverversion des Sparks-Stücks „Never Turn Your Back On Mother Earth“ passt ebenfalls hervorragend in dieses Konzept. „Don’t Forget Me“ – ein Song von Harry Nilssons 74er-Album „Pussy Cats“ – wurde mit einem halben Dutzend Pianos und vielen befreundeten Musikern in der Scheune von Neko Cases Farm in Vermont aufgenommen.

Der schwüle Blues von „Prison Girls“ mit seiner schillernden Düsterkeit klingt dagegen wie eine Reminiszenz an das vorletzte Studioalbum „Blacklisted“, sehr atmosphärisch, sehr gelungen – ebenso wie das sehnsüchtige „The Pharaohs“: „You kept me wanting… like the wanting in the movies and the hyms. I want the Pharaohs — but there’s only men.“ Immerhin ein paar Männer konnten den hohen Ansprüchen von Frau Case genügen und durften sie auf „Middle Cyclone“ begleiten. Neben den Musikern ihrer Tour-Band und denen ihrer Fast-Zweitband The New Pornographers hören wir unter anderen M. Ward, Garth Hudson und Mitglieder von Calexico, Sadies, Los Lobos und Giant Sand. Doch sie sind allesamt nur Nebendarsteller – das alte Marlboro-Country existiert nicht mehr. Zumindest nicht für Neko Case.

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