Peter Gabriel :: Up

Willkommen zu Peterchens Mondfahrt! Auf Gabriels Website gibt es einen „Full Moon Club“, dem bereits 20 000 Mondsüchtige beigetreten sind. Die konnten vorab Auszügen aus „Up“ lauschen, und zwar immer, wenn, ja genau: wenn Vollmond war. Ein Blick zum Himmel, verkündet der Initiator, und man wisse, „wann der nächste Download stattfindet“. Gabriel selbst hat wohl noch öfter raufgeguckt und gleich ein Lied mit dem Titel „Sky Blue“ geschrieben, dessen Gitarren-Riff Daniel Lanois (der nicht produzierte) gerade so geschickt von Alex Harveys „Faith Healer“ geliftet hat, dass es nicht peinlich wird (und wohl auch nicht gerichtsverwertbar).

Wann und wie Peter Gabriel vom „Querkopf“ zum „Kitschkopf“ mutierte, darüber rätselte die „SZ“ ja schon 1994. Die Ironie von „L/p“ist nun aber: Ausgerechnet dort, wo er noch mal richtig Querkopf sein will, scheitert Gabriel heute. Die erste Single aus seinem ersten Album seit zehn Jahren (nach den eher kruden Auftrags-Intermezzi „OVO“ und dem Soundtrack „The Long Walk Home/Rabbit Proof Fence“), „The Barry Williams Show“, ist der tragische Fall eines topical song, dessen „topic“ längst gegessen ist. Die unheilige Allianz von durchgeknallten Typen und dem sogenannten „Reality-TV“ dürfte ja bereits in den ersten Hauptseminaren angekommen sein. Dort also, wo der Pop gewiss nicht wohnt.

Dann doch lieber gleich die volle Psycho-Schiene, eine Dosis Kitsch inklusive. „Darkness“ schweift als beklemmender Therapie-Trip von metallenen Eruptionen zu besänftigendem Piano-Geflüster. Es geht zum Hexenhaus der Kindheit, tief in den Wald, „the deeper I go the darker it gets“. Licht ist ein banger Blick durchs Fenster. Und siehe da: Das Monster, das sich da auf dem Boden krümmt, sieht ja aus wie ein „baby boy“! Verständliche Reaktion: „I cry until I laugh.“ So geht es weiter auf Leben und Tod, in unmissverständlich betitelten Songs wie „No Way Out“ und „I Grieve“, im feierlichpompösen „More Than This“. Aber wenn wir mal wieder dem Erwachsenwerden lauschen wollen, greifen wir dann doch lieber zum jungen Bruce Springsteen als zu Peter Gabriels gewiss „reiferen“ Version von „Growing Up“.

Besser gelingen Gabriel, der erstmals komplett selbst produzierte, heute die Songs, die eine abstraktere Ebene ansteuern. „My Head Sounds Like That“ findet ein tragfähiges Gerüst für das paradoxe Gefühl, in der Taubheit mehr hören zu können. Neulich übrigens hat Gabriel versucht, mit Menschenaffen zu musizieren. Was „Shock The Monkey“ endgültig zur etwas anderen self-fulfilling prophecy macht.

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