Ani DiFranco – Educated Guess

Vor etwa knapp einem Jahr hatte der Rezensent die Experimentierfreude des letzten Ani DiFranco-Album „Evolve“ gelobt, in ihm ein Übergangswerk zu einer spannenderen, elaborierteren Form zwischen Jazz und Folk ausgemacht und gehofft, die Künstlerin und ihre versierte Band würden das hier gemachte Versprechen dann auf dem nächsten Album einlösen.

Und jetzt das: Zum ersten Mal seit ihrem zweiten Album „Not So Soft “ von 1991 spielt Ani DiFranco im Studio wieder ohne jegliche Unterstützung anderer Musiker. (Und nicht nur das: Sie hat auch selbst gemischt und produziert). „Back to the roots“, wirbt in solchen Fällen die Plattenfirma. „Ein Rückschritt“, muss man dem in vielen Fällen entgegenhalten, denn die Rückkehr zu den Wurzeln ist häufig die Sache ausgebrannter alter Herren oder talentfreier junger Bands, wenn man ehrlich ist. Ani DiFranco aber ist (immer noch verhältnismäßig) jung und hat vermutlich mehr Talent als das gesamte Personal der Jahrescharts.

Der Fall liegt wohl eher so, dass sie nach einer Solo-Akustik-Tournee auf den Geschmack gekommen ist. So ist „Educated Guess“ zwar eine Rückkehr zu alten Formen – zum Folk-Song vielleicht, zur Slam Poetry auf jeden Fall – aber mit den in den letzten Jahren erprobten Mitteln: verquerer Rhythmik, wechselnder Tempi, exzellentem Gitarrenspiel, das hier erst richtig zu Entfaltung kommt und elaboriertem, manchmal etwas schiefem Harmoniegesang und dramaturgisch sehr clever inszenierten Sporken-Word-Intermezzi.

Auch wenn Ani DiFranco schon seit langer Zeit keine Songs wie „Buildings And Bridges“ oder „Hell Yeah“ mehr schreibt, bleibt sie dem Rezensenten doch immer noch die liebste Alleinunterhalterin.

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