Funny Games US :: Michael Haneke (Start 29.5.)

Was in erster Linie irritiert, ist die ausgesuchte Höflichkeit. Sie drängt sich auf, unnachgiebig, fordernd, unverschämt. Leise wird die Bitte vorgetragen, aber sie klingt wie ein Donnerhall in finsterster Nacht, obwohl die Sonne scheint an diesem schönen Sommertag am See. „Lassen sie ihn bitte das Bein ansehen. Er kann ihnen helfen. Bitte. Sir?“ Das ist ein Schock. Was soll man antworten, wenn einem gerade mit einem Golfschläger das Knie zertrümmert worden ist von jenem, der nun seine Hilfe anbietet. „Es ist ihre Schuld.“

Paul und Peter stellen sich als Bekannte der Nachbarn vor, sind durch ein Loch im Zaun aufs Feriengrundstück von George, Anna und ihrem kleinen Sohn Georgie gekommen und wollen nur vier Eier. Als Peter sie vermeintlich ungeschickt fallen lässt, bittet er um Ersatz, die aber ebenfalls auf dem Boden landen. Der Hund habe ihn angesprungen, sie müsse ihm noch mal vier geben, sagt Peter zu Anna. Die will nicht, ist genervt, George kommt hinzu und versteht die Aufregung nicht. Der Ton wird rau, Paul greift zum Golfschläger, ein Schmerzensschrei, dann Stille. Das Loch im Zaun, die kaputten Eier — Symbole für die Zerstörung der Idylle. Es ist der in jedem Detail , subtil eingefädelte Auftakt für ein per-A tides Martyrium. „m Elf Jahre nach B „Funny Games“ kehrt der österreichische Regisseur Michael Haneke hier als Wiederholungstäter zurück mit einem Remake, das für den amerikanischen Markt gedacht ist, aber auch als Experiment gesehen werden kann. Szene für Szene hat er seine ebenso präzise wie provokante Gewaltstudie noch mal gedreht, nur die Darsteller sind andere. Nach Susanne Lothar und Ulrich Mühe spielen nun Naomi Watts und Tim Roth das Ehepaar, Brady Corbet und Michael Pitt als Psychopathen ersetzen Arno Frisch und Frank Giering. Wer das Original kennt, muss „Funny Games U.S.“eigentlich nicht sehen. Dennoch ist der Film noch immer niederschmetternd in seiner unfassbar kühlen Konstruktion über menschliche Gewaltphantasien.

Haneke nimmt nicht nur die Familie als Geisel, auch den Zuschauer. Man magsich empören über den Psychoterror der beiden Jungs, den Spott, die Drohungen und zynischen Fallen, mit denen sie ihre Opfer malträtieren, aber Schaulust verspürt man nicht, eher Schuldgefühle. Es schnürt einem die Kehle zu, wenn man deren Angst und Schmerz sieht, während Haneke jede körperliche Brutalität ausblendet. Die läuft im Kopf der Zuschauer ab, konditioniert durch den voyeuristischen Blick auf Gewaltdarstellung als Unterhaltung, so seine These. Das kann man so nicht ohne Widerspruch stehen lassen, auch wenn Haneke bewusst pauschal zuspitzt. Doch angesichts abgestumpfterer Sehgewohnheiten durch Horrorfilme wie „Saw“ oder Folterbilder aus der Wirklichkeit wirkt der Film noch beklemmender als 1997. Grinsend blickt Paul in die Kamera und verweigert einem die erlösende Wende, indem er die Szene zurückspult.

Geschult an den Medien, geben die Jungs in ihren sauberen weißen Klamotten selbst die Tatmotive vor: Drogen, unterdrückte Homosexualität, asoziale Herkunft, Überdruss verhätschelter Söhne – die ganze Psycho-Palette. „Welche Antwort wollen sie hören?“

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