Carole King :: Tapestry

Das legendäre Songkunst-Album aus dem Jahr 1971, erweitert

Adele hin, Duffy her: Die Zeiten, in denen jede Nachwuchs-Chanteuse als Stimmwunder und große Entdeckung gepriesen wird, wenn sie die Noten korrekt trifft, mit einem gewissen Retro-Charme punkten kann und zumal einem nachgeborenen Publikum als neue Offenbarung gilt, das große Sängerinnen wie Dusty Springfield, Aretha Franklin oder Dionne Warwick allenfalls von LP-Covers der Eltern kennt, sind nicht mehr dieselben, was den schieren Anspruch an große Klasse betrifft.

Was ganz sicher auch damit zu tun hat, dass Schreiber-Teams vom Kaliber Doc Pomus/Mort Shuman, Leiber/Stoller und Burt Bacharach/Hal David selten geworden sind. Denen fielen Pop-Standards viele Jahre lang in Serie ein. und ihre Kundschaft dankte es ihnen mit wunderbaren und zeitlos guten Interpretationen. Die junge Carole Klein aus Brooklyn, dereinA&R-Manager bei Decca geraten hatte, sich den Nachnamen King zu geben, um antisemitische Pöbeleien zu vermeiden, hatte ganz im Gegensatz zu denen schon zu Beginn ihrer professionellen Laufbahn im Musikgeschäft den Ehrgeiz entwickelt, ihre Lieder selber aufzunehmen. Der Boss des Musikverlags, bei dem sie angestellt war, finanzierte ihr generös eine Session und veröffentlichte das Ergebnis auf seinem Dimension-Label. Der Song „It Might As Well Rain Until September“ — wurde sogar ein beachtlicher Erfolg, immerhin Platz 22 der Hitparade.

Aber als der nächste ein ganz großer Flop wurde, schrieb sie mit ihrem Ehemann Gerry Goffin doch lieber die nächsten Jahre weiter Hits für andere. Das ernährte die Familie und löste auch in späteren Jahren alle finanziellen Probleme, wenn sie eine notorisch miserable Autofahrerin – nahe ihrem Haus im Laurel Canyon mal wieder einen Unfall gebaut hatte. Der Ehrgeiz der frühen Jahre packte sie erst wieder mächtig, als sie sah, wie die Karrieren von Kollegen aus der Nachbarschaft und befreundeten Songschreibern wie James Taylorsteil abzuheben begannen. Dem Band-Projekt The City war allerdings so wenig Erfolg beschieden wie dem ersten Album „Writer“, der Präsenz des Ex, verschiedener Session-Cracks und hochkarätiger Songs zum Trotz.

Von etlichen der letzteren („Up On The Roof“ oder „Goin‘ Back“) hatten Bands vor Jahren (Drifters) oder unlängst (Byrds) sehr beachtliche Aufnahmen vorzuweisen. Richtig gut waren aber auch neue Songs wie „Child Of Mine“ oder „No Easy Way Down“. Nur nicht auf Anhieb so populär wie das, was von Crosby, Stills & Nash bis James Taylor und Neil Young Kollegen an Song-Kollektionen anzubieten hatten. Schiere handwerkliche Perfektion reichte nicht bzw. nicht mehr. Ihre waren zwar auch ziemlich private und jenseits von Autobiografie ausgesprochen reflektierte Lieder. Aber das konnte sie besser.

Ihre nächsten Songs waren sicher immer noch keine Operationen am offenen Herzen und ungleich verbindlicher als das, was wenig vorher Joni Mitchell auf ihrer dritten LP vorgelegt hatte. Aber wie sie mit diesen Liedern Angebote zur Identifikation machte, war schon phänomenal. Das hatte locker auch mal besagte Bacharach/David-Klasse. Hinzukam, dass sie endgültig ihre Stimme ganz unverwechselbar entwickelt hatte. Angeblich mit dem einen oder anderen Tipp von Lou Adler während der Sessions. Aber zu welcher Form als Interpretin sie endgültig gefunden hatte, wird offenkundig bei den beiden „Oldies“ hier „Will You Love Me Tomorrow“ und „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“-, die sie so ungemein gefühlvoll vorzutragen verstand, Soul ohne den Gospel-Uberschwang in Arethas Aufnahme, aber sehr wohl viel Soul. Weshalb Jon Landau in seiner Rezension damals diese Verbindung von „surpassing personal intimaey“ und „the kind of eloquence and beauty that I had forgotten rock is capable of“ bewunderte. Die „simplicity of the singing“ auch.

Von dem völlig unaffektierten Vortrag profitierte noch der schlichteste unter dem Dutzend Songs: „Home Again“ überzeugte mit Gefühlstiefe gerade durch den Verzicht auf alle dramatischen Verzierungen. Die ohne jede Koketterie mal geäußerte Behauptung „I’m not that great a singer!“ nahm ihr vermutlich niemand ab, der im Juni 1971 in der Carnegie Hall saß, als sie im Duett mit James Taylor „You’ve Got A Friend“ sang.

So viel Trost erwartete auch später als ganz selbstverständlich noch jeder Besucher ihrer Solo-Konzerte. Von denen wurden für diese Legacy-Edition vier aus den Jahren 1973 bis 1976 ausgewählt, die Songs dabei im Sequencing der Original-LP. Bis heute ist Produzent Lou Adler davon überzeugt, dass dieses Sequencing einiges zum Erfolg des Albums — mehr als 25 Millionen mal verkauft — beitrug. Dass er für die Remaster-Edition von 1999 erstmals überhaupt die Originalbänder freigab, war weniger fein. Klar aber, dass die auch hier wieder zur Überspielung kamen.

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