Muse :: The Resistance

Konzept, Bombast, herrlicher Kitsch: der Gipfel der Exzentrik

Wir vermuten: Irgendwann wird ein Muse-Album erscheinen, das beim ersten Abspielversuch in einer leuchtenden Kugel explodiert. Weil der Bombast von „The Resistance“ mit musikalischen Mitteln kaum mehr steigerbar ist. Seit „Showbiz“ war die britische Band von Album zu Album immer noch exzentrischer geworden, nun ist der vorläufige Gipfel erreicht: Ein 40-köpfiges Orchester, eine dreiteilige Sinfonie, ein verschwurbeltes Science Fiction-Konzept, ein Hooligan-Chor, ein Zitat aus der Oper „Samson & Delilah“ – man könnte sagen: Wegen Bands wie Muse wurde Punk erfunden.

Der Anfang gerät mit dem vergleichsweise typischen „Uprising“ und dem Hymnus „Resistance“ noch relativ konventionell. „Undisclosed Desires“ ist dann die diesjährige Hommage an den Dancefloor und die Produktionsweise von Timbaland – ganz ähnlich wie zuletzt „Supermassive Black Hole*. Dass Matt Bellamy inzwischen grundsätzlich drei Songs braucht, um einen zu schreiben, wird erstmals bei „United States Of Eurasia (+ Collateral Damage)“ deutlich, einem Ungetüm, das der Rockgruppe Queen vermutlich nicht nur wegen des spinnerten Titels zu bombastisch gewesen wäre. Ausgehend von einer sanft hingetupften Klavierballade, entlädt sich der Song völlig unvorbereitet in einer gewaltigen, „Bohemian Rhapsody“-artigen Eruption mit Euro-Trash-Elementen und fernöstlicher Harmonik.

Man denkt ungefähr fünfmal, dass der Song aufhört, doch Bellamy fällt immer noch was ein – bei weitem nicht das einzige Stück Columbo-Rock auf dieser Platte.

Auch bei „I Belong To You (+ Mon Ccer S’ouvre a ta voix)“ muss man sich wackeren Herzens entscheiden – was bei den sogenannten opinion leaders ja immer noch bedeutet: dagegen. Dabei sind Muse in gewisser Weise durchaus eine heterosexuelle Rock-Entsprechung von Rufus Wainwright. Die schwitzige Virilität, das angeberische Protzertum, die vergleichbare Musik ja tatsächlich meist so unappetitlich machen, finden sich hier nicht. Stattdessen denken Muse „Spinal Tap“ konsequent zu Ende. Und das trotz einer grundsätzlich ernsthaften Attitüde mit ebensoviel Humor wie etwa die bei Nerds aller Couleur beliebten Rush – was nur nicht sofort auffällt, weil die Musiker von Muse gut aussehen und sich zu kleiden wissen.

Natürlich ist das Volkskunst, doch der Vorwurf der kalkulierten Gefühlsverlogenheit trifft Bellamy nicht. Nicht nur mit dem erwähnten Monumentalwerk „I Belong To You“ gelingt ihm ein anrührendes Liebeslied mit Ragtime-Beat, besagtem Opernzitat, und allerlei Liebesschwüren auf Französisch und Englisch. Der klassisch geschulte Bellamy glänzt am Pianoforte, es ist ein einziges An- und Abschwellen. Kitsch, natürlich – aber was für ein herrlicher, rührender und herzergreifender Kitsch das ist!

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