Brenda Holloway – The Early Years

In frühen Standardwerken wie Arnold Shaws „The World Of Soul“ taucht ihr Name mutmaßlich deswegen nicht auf, weil der Autor sie damals als „One Hit Wonder“ (in Sachen Soul zumindest) und nicht als eine der talentiertesten Sängerinnen dieses Fachs betrachtete. Als sie besagten Hit – „Every Little Bit Hurts‘ schaffte es im Mai 1964 auf Platz 13 der Pop-Singles und Nr. 3 der R&B-Bestseller – aufnahm, war sie zarte 17- Genauso alt wie Steve Winwood, als der ein Jahr später den Song mit der Spencer Davis Group aufnahm und nach den Blues- und Rhythm & Blues-Qualitäten seiner Stimme auch die in Sachen Soul demonstrierte. (Steve Marriotts später mit den Small Faces aufgenommene Interpretation war dagegen schon eine – höflich ausgedrückt – eher bemühte.) Ein Talent-Scout hatte Miss Holloway bei ihrem spontan angesetzten Auftritt anlässlich einer Discjockey-Convention in Kalifornien entdeckt. Einmal bei Motown unter Vertrag, nachdem Berry Gordy von ihrem Äußeren und dieser Stimme angeblich sehr angetan war, nahm sie zwischen 1965 und 1967 weitere eher kleinere Hits auf, wurde allerdings vom Chef in ihrer Karriere dabei auch nicht annähernd so protegiert und mit Promotion-Dollars gefördert wie etliche andere namhafte Damen seines Unternehmens. Was möglicherweise auch mit ihrem mehr zum Blues (und auch Gospel-beeinflussten) denn zum typischen Tamla-Pop-Stil tendierenden Verständnis von Soul lag. Die Pressemitteilung, die man anlässlich ihres 1968 nicht mehr verlängerten Vertrags aufsetzte, behauptete jedenfalls allen Ernstes, Miss Holloway wolle künftig nur noch zu Ehren des Herrn singen. Was völliger Unsinn war. Zusammen mit Schwester Patrice und Produzent Frank Wilson schrieb sie umgehend den Pop-Ohrwurm „You’ve Made Me So Very Happy“. Als wiederum Blood, Sweat & Tears den sofort für ihre Debüt-Single aufnahmen, verkaufte der sich mehrere Millionen mal.

Von Brenda Holloway erschienen zwar vor vier Jahren auf ihrer „Motown Anthology“ auch komplett die beiden LPs. Bei uns ist das Teil allenfalls als Import oder über Netz erhältlich. Die formativen Jahre, in denen sie vor dem Vertrag mit der Firma für mehrere kleine Labels in L. A. – meist betreut von Produzent Hai Davis, nachmals bei Motown – Aufnahmen machte, dürfte also vorrangig Soul-Fans interessieren, die besagte Motown-Platten oder zufällig auch ganz vorzüglich geratene spätere Comeback-LPs kennen. Dort sang sie als Mitglied von Bands mit Namen wie The Soul-Mates, The Watesians und The Four J’s. Die wenigsten dieser 22 Aufnahmen waren Solo-Einspielungen. Als sie bei Motown ihren ersten Hit hatte, veröffentlichte man das Demo von „Every Little Bit Hurts“ unter dem schnell erfundenen Band-Namen Brenda Holloway And The Carrolls. Aber kein Mensch interessierte sich zu dem Zeitpunkt für Singles auf dem obskuren Sub-Label Catch, und überhaupt wartete da noch

niemand auf große Soul Music aus Los Angeles, auch wenn Berry Gordy exakt zu dem Zeitpunkt schon mal fürsorglich eine Filiale an der Westküste einrichtete.

Wie talentiert der Teenager auch als Songschreiberin war, hört man bei diversen dieser frühesten Aufnahmen. Die Tatsache, dass Motowns Hauskomponisten sie danach nicht mit genauso hochkarätigem Material bedienten wie die anderen weiblichen Sanges-Ensembles, hat angeblich mit einer fast an Hass grenzenden Eifersucht der parallel mit ihr verpflichteten Diana Ross zu tun. Zudem war sie auch noch erklärter Fan der Motown-Ikone Mary Wells. An deren Gesangsstil orientierte sie sich unter anderem bei dem hier erstmals überhaupt veröffentlichten „Constant Love“.

Am Ende ist Brenda Holloways „Motown Anthology“ essenziell. Danach darf man sich aber durchaus diese frühen Raritäten gönnen. (Ace)

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