Ablass eines Hallodris

Auf DVD: Der notorische Schauspieler und Lebemann Ben Becker rezitiert zur Musik des Filmorchesters Babelsberg ausgesuchte Passagen aus der Bibel

Sein Vater, der Schauspieler Rolf Becker, hatte den kleinen Ben samt Schwester Meret in die Obhut eines anderen Schauspielers, Otto Sander, gegeben. Und siehe, der kleine Ben wurde ebenfalls Schauspieler, und vom leiblichen Vater hatte er die imposante Bass-Stimme geerbt, mit der man sowieso nichts anderes werden kann, allenfalls Busfahrer. Rolf Becker spielt heute noch verschrobene Gärtner oder knarzige Seeleute in Fernsehfilmen. Und Otto Sander – auch er mit einer sonoren, schmeichelnden Stimme gesegnet -, der einst ein Engel in Berlin war und ein Star der Schaubühne dort selbst, deklamiert heute vor allem für die Eon-Reklame.

Ben Becker aber tanzte auf allen Hochzeiten, war mit den „Comedian Harmonists“ erfolgreich, weniger in der Gaunerkomödie „Sass“ und in vielen mittelmäßigen Fernsehfilmen; seit Mitte der 90er Jahre besang er auch ein paar Schallplatten sehr eigenwillig, und längst war er außerhalb der Bühnen ein blonder Kraft- und Tatmensch, notorisch dafür, dass er sehr laut agierte, gern sehr viel Alkohol trank und zuweilen auch andere Rauschmittel bis zur Neige genoss.

Im Jahr des Herrn 2007 wurde der Notarztgerufen, und Ben Becker musste aus seiner Wohnung transportiert werden. Er hatte am Vorabend eine Frau kennengelernt, die er mit nach Hause nahm, wo man sich offenbar gemeinsam den Inhalt eines Beutelchens injizierte. Becker verlor daraufhin das Bewusstsein. Nun erholte er sich in einem Berliner Krankenhaus. Für seine Familie tue es ihm sehr leid, hieß es. Als Ben wieder unter den Lebendigen war, tat er Buße bei Beichtvater Reinhold Beckmann, wo er von einem „Warnschuss vor den Bug“ sprach und seinen Beinahe-Tod poetisch verklärte, gewissermaßen als dionysisches Künstlerschicksal.

Seine wahre Wiederauferstehung aber feierte er im Oktober 2007, mit der Aufführung von „Die Bibel – Eine gesprochene Symphonie“ (SPV) im Tempodrom. Blass und im schwarzen Bratenrock rezitierte er Texte aus dem Alten und dem Neuen Testament, von ihm sortiert. Ulrik Spies und Jacki Engelken haben dazu pompöse Musik für das Filmorchester Babelsberg geschrieben, auch Beckers Band Zero Tolerance kam zum Einsatz und ein kleiner Gospel-Chor. Auf ein Leinwand-Triptychon wurden Bilder von Naturgewalten und einem ertrinkenden Grashüpfer im Wasserbecken projiziert. Becker las mit barmender Grabesstimme, ein bisschen wie Vincent Price in „Thriller“ oder Graf Dracula, er bebte, er lebte Kain und Abel, die Arche Noah, den Turmbau zu Babel, Jesu Geburt, Johannes den Täufer, das Abendmahl, die Kreuzigung. Zwischendurch knödelte er „In The Ghetto“, am Ende „He’s Alive“, mit dem er immer mal eine Show-Treppe hinabsteigen wollte.

Und Gott sah, dass es großes Kino war, fast wie damals bei Cecil B. DeMille und Charlton Heston, und er beschloss, den Vertrag von Ben Becker zu verlängern.

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