Aus voller böser Absicht britisch

Die Leute in Großbritannien haben Luke Haines bezichtigt, „Passionout“, das neue Album seiner Band Black Box Recorder, sei zu poppig und puderzuckrig. Sie erinnerten sich vage an die Gitarren-Riffs und den biestigen Gesang auf Platten von Haines‘ alter Gruppe The Auteurs und bemerkten, dass vieles auf „Possjonoia“ einen Eurodance-Beat oder einen amerikanischen R&B-Ton hat (obwohl Luke Haines sich natürlich nicht um amerikanischen R&B schert) und dass Sängerin Sarah Nixey wie Sophie Ellis-Bextor klingt Das sei richtig beobachtet, lobt Haines, 35, aber erstens gelte das bitteschön auch für die zwei früheren Black Box-Alben – und zweitens: „Alle Platten, die ich gemacht habe, waren Pop.“ Also auch „New Ware“, das im Frühsommer des Britpop-Booms als Glam-Imitat missverstandene Auteurs-Debüt. Auch „How I Learned To Love The Bootboys“ (an dem die Black Box-Partner Nixey und John Moore schon mitwirkten), der Auteurs-Schlusspunkt von 1999 und Haines‘ Glanzleistung als Sänger über todgetränkte Nostalgie und den Selbstbetrug, der in aller Freude an der Gegenwart steckt. Und seine zwei Solo-Platten, 2001 simultan erschienen. Bei Black Box Recorder hat sich der ewig Mürrische, der im Team mit Moore nur als Co-Autor und Instrumentalist erscheint, noch expliziter am Thema Großbritannien festgesaugt, den Pralinenschachteln, Tennisrasen und Goldkanten-Gardinen der upper middle dass, am nationalen Pop-Erbe und Ikonen wie der toten Prinzessin Di- exakt den Klischees, die auch im Ausland gern bemüht werden. „Unsere britishness ist keine eingebildete, sondern eine ganz natürliche Haltung“, sagt er. „Man beschuldigt uns, wir würden das Land verunglimpfen, aber das stimmt nicht. Wir sehen es zwiespältig, was ja nicht heißt, dass wir alles schlimm finden.“ Ein Gespräch mit Haines birgt eben die gleiche Gefahr wie das Hören seiner Platten: Das Vernichtende bleibt ein Unterton, den man selbst herausfiltern muss, will man nicht daraufhereinfallen. Ein sozialkritischer comedian könnte er nie sein: „Ich verabscheue Komiker. Wir als Band können immer sagen, dass wir die geistreichen Sprüche nur brauchen, damit der Song fertig wird. Der Komiker stellt sich auf die Bühne und bettelt quasi: Habt mich lieb! Lacht über mich!“ Da schüttelt es ihn. „Nein, das habe ich nie gesagt: Bitte habt mich lieb.“ Im „Bootboys“-Song „Future Generation“ behauptet er immerhin selbstspöttisch, die Nachgeborenen würden irgendwann die Brillanz der schwer verkäuflichen Auteurs-Platten erkennen. So konsequent ist Haines dann doch nicht: Bald wird er ein Album mit Songs von damals in neu produzierten Orchester-Fassungen herausbringen. Ob das in Deutschland veröflendicnt wird? „Es wird sicher überteuerte Import-Exemplare geben.“ Liebhaben sollt ihr ihn trotzdem.

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