Bruce Springsteen

Bei seinen Konzerten wundert sich niemand, wenn Pärchen selig Schunkelwalzer tanzen; wenn grobe Jungspunde pseudo-spastisch Luftgitarre spielen, mit den Armen rudern und entrückt in ihre Freundin torkeln; wenn ältliche Menschen die Arme ausbreiten, um Empfängnis zu signalisieren. Denn der Heilige Geist ist über sie gekommen, und Er, der Boss, verkündet „the ministry of rock’n‘ roll“. Wie vielleicht im Himmel, so jetzt schon auf Erden. Die Ministranten der E-Street Band sind auch wieder da und spielen gar heftig im Namen des Herrn.

Die Band kann vor Kraft kaum laufen, als sie mit „Prove It All Night“ Fahrt aufnimmt. „Mansion On The Hill“ bringt Bruce mit Gattin Patti als Edelschnulze zum Akkordeon, „Tenth Avenue Freeze-Out“ nutzt er zur ausufernden Vorstellung der Musikanten: Wie im Zirkus schreitet er auf der Bühne einher und freut sich immerzu schelmisch über seine Spaße. Ein anderes Mal erscheint sein unbewegtes, grimmig dreinschauendes Gesicht auf der Videowand: Der Boss streikt So was hält er minutenlang durch und will sich dann kaputtlachen.

Kaputt ist indes das bombastische Gelärme der Band: Schwächere Stücke wie „Murder Incorporated“ sind Katastrophen, das blödsinnig zersungene „The River“ kommt überhaupt nicht in die Puschen. Ausgerechnet triviale Samstagabend-Brecher wie „Two Hearts“ und „Out In The Street“ funktionieren bestens. Schließlich kommt ein alter Bekannter aus den Kulissen. Es ist dies der Kölsche Superstar Wolle Niedecken, der das ihm überlassene „Hungry Heart“ so lange verhaut, bis ihn das Publikum („Seid Ihr Düsseldorf oder Köln?“) erlöst. Aber wo ist der Rock’n’Roll, Bruce?

„Bobbyjean“ stiftet dieses frühe Pfingstwunder, ein Lied wie ein Weinkrampf, und dann spielen sie „Born To Run“ und „Thunder Road“, und plötzlich weiß man, wofür man unterwegs war. Dafür fahrt man die ganze Nacht.

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