Cormac McCarthy: Erschütternd bis zur Ohnmacht

Der amerikanische Schriftsteller Cormac McCarthy wäre heute 90 Jahre alt geworden. Mit den düsteren Romanen „The Road“ und „No Country For Old Man“, beide kongenial verfilmt, wurde er weltberühmt. Doch seine Gewaltdarstellungen gingen manchen Lesern aufs Gemüt.

Cormac McCarthy gehörte zweifellos zu den einflussreichsten amerikanischen Autoren der Gegenwart. Seine Bücher wurden Bestseller, auch wenn ihr Schöpfer einen geradezu erschütternden minimalistischen Stil prägte und karge Szenarien in einer Welt ohne Hoffnung beschrieb. Seine bekanntesten Bücher dürften wohl „The Road“ (Die Straße) und „No Country For Old Man“ (Kein Land für alte Männer) sein, was auch an den starken und preisgekrönten Verfilmungen von John Hillcoat und den Coen-Brüdern liegen dürfte. Doch auch „Blood Meridian“ (Die Abendröte im Westen) sorgte als schroffe Wild-West-Geschichte mit seinen expliziten Gewaltdarstellungen für Aufsehen.

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Veröffentlicht wurde die Geschichte eines Glücksritters, der sich einer brutalen Bande von Kopfgeldjägern anschließt, 1985. Während des Schreibens verbrachte Cormac McCarthy viel Zeit in der Wüste von Sonora, um die Atmosphäre des amerikanischen Westens besser verstehen zu lernen. Er soll während dieser Zeit allein in einem kleinen Wohnwagen gelebt haben, mit einem Schlafzimmer, in dem sich die Bücher bis zur Decke stapelten. Das intensive Lesen all dieser Vorbilder führte nach eigenen Angaben erst zu seinem berühmten Schreibstil und dem Wunsch, Amerika als mythologischen Ort zu beschreiben, der seine Identität aus Blut und Angst entwickelt hat.

Bücher von Cormac McCarthy in einer Buchhandlung in San Francisco

Doch diese Beschreibungen des Grauens waren nicht für jeden geeignet. Es gibt eine Anekdote, die diese Erfahrung sehr gut beschreibt. Während einer Lesung von „No Country For Old Men“ in New York im Jahr 2005 las McCarthy eine Passage vor, in der eine Gewalttat beschrieben wurde. Eine ältere Dame im Publikum wurde dabei ohnmächtig und fiel vom Stuhl. Der Autor bemerkte den Vorfall, unterbrach seine Lesung und half der Dame, sich von dem Schrecken zu erholen. Danach setzte er seine Lesung nach Augenzeugenberichten fort, als wäre nichts geschehen.

McCarthys dürre Geschichten mit ihrem symbolischen Tiefengehalt wurden auch zur Inspiration von Nick Cave für viele seiner „Murder Ballads“ und wohl auch wegen der Anlehnung an ihre biblische Wucht für deren moralischen Unterbau. Immer wieder beschwor der Sänger, wie wichtig ihm die Leseerfahrung von „The Road“ war (er zählt den Roman neben der Bibel und „Lolita“ von Wladimir Nabokov zu seinen wichtigsten Lebensbüchern). Gemeinsam mit Bad-Seed-Mitglied Warren Ellis schrieb Cave auch die Musik für die Verfilmung des Stoffs. Zuvor hatten beide schon den Vorgängerfilm des australischen Regisseurs John Hillcoat, „The Proposition“, mit einem Soundtrack versehen.

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Bestimmend für die Diskussion um Cormac McCarthy mag immer auch gewesen sein, dass sich der Schriftsteller so gut wie nie über sein Werk äußerte und äußerst zurückgezogen lebte. Als er einmal gefragt wurde, warum er so wenig über sein persönliches Leben preisgibt, antwortete er: „Ich sehe keinen Grund, über mich selbst zu sprechen. Was ich zu sagen habe, finden Sie in meinen Büchern.“ Für McCarthy war klar, dass sein Privatleben keine Rolle dafür spielte, seine Geschichten zu mögen. Stets machte er dabei deutlich, dass es allerdings jedem möglich sei, seine Erzählungen zu verstehen, weil sie eine völlig abstraktionslose Wahrheit enthielten, die für jeden zu greifen ist. Und dennoch oder gerade deswegen ist vieles, was er (be-)schrieb, nicht leicht zu verdauen.

Robert Alexander Getty Images
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