Darum ist „Queen: Rock Montreal“ ein 5-Sterne-Album

Das legendäre 1981er-Konzert erscheint in Bild und Ton

Ist das nicht unfassbar? Ein Geheimnis, das Freddie Mercury mit ins Grab genommen hat: Warum er, einer der besten Tänzer des Rock, ausgerechnet zum Swag von „Crazy Little Thing Called Love“ auf der Bühne nicht tanzte, sondern, hier, und nur hier, zur akustischen Gitarre griff und sich dadurch, statt sich zu biegen und zu stolzieren, singend einem unverrückbaren Standort am Mikrofonständer verpflichtete – technisch war sein Gitarrenspiel nicht notwendig, denn Brian May hatte die Kontrolle über Melodie und Rhythmus. Mercury war nicht zu ergründen.

„Rock Montreal“, das Konzert von 1981, (wieder-)veröffentlicht als Tonträger wie als 4K-Video, bietet viele dieser – hier bietet sich der inflationäre Begriff an – „ikonischen“ Queen-Momente. Jene auf geheimnisvolle Weise verschieden hoch gefüllten Bierbecher auf Mercurys Piano, die nur bei Queen glaubhaft anzusehende Vereinigung von Pöbel und Prunk. Der „Call and Response“-Gesang bei „Dragon Attack“, bei dem Mercury sein Publikum lobte, vielleicht gerade deshalb, weil es sein Stimmvolumen nie erreichen könnte.

Und trotz dieser „ikonischen Livemomente“ war vieles neu für die 1970 gegründete Band. Die „Game Tour“ präsentierte eine wild bewegliche Lichtanlage, offiziell „Fliegenklatsche“ getauft, wegen der bis auf Kopfhöhe der Musiker runterfahrenden Option auch „Waffeleisen“ genannt, Nachfolger des „Pizza-Ofens“ der vorherigen Tour, weil man darunter schwitzte wie Sau. Ihr 1980 erschienenes Album „The Game“ beinhaltete ihre ersten (und letzten) zwei US-Nummer-eins-Singles, neben dem Rockabilly von „Crazy Little Thing Called Love“ den Funk von „Another One Bites The Dust“. Der bereits 34-jährige Mercury ließ sich treiben vom Ruhm, setzte auf der Bühne seine Zeichen als alles beherrschende „Königin“: Er wurde Standing-on-the-shoulders-of-Giants-mäßig auf den Schultern eines Darth-Vader-Kostümträgers transportiert und trug, ein Jahr nach dem „Superman“-Film mit Christopher Reeve, ein T-Shirt mit dem Symbol des stärksten aller Superhelden. Funk war schon immer queer, Rock’n’Roll aber erschien heteronormativ; dass Mercury bei dieser Tour erstmals seinen Schnauzer präsentierte und im „Cruising“-Kinojahr in Ledermontur auftrat, brachte ihm erste öffentliche Ablehnung entgegen. So erfolgreich wie mit Album und Tournee 1980-1981 würden Queen nie mehr sein. Jene Jahre markierten die Trennphase zwischen ihren Greatest-Hits-Platten „I“ und „II“: Aus einer Rock- wurde eine Pop-Band. „Radio Ga-Ga“ wartete am Horizont.

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„Rock Montreal“ bietet Aufnahmen, die besser anzusehen sind als zu hören – und umgekehrt. Das Schlagzeugsolo Roger Taylors? Besser nur sehen, denn es klingt unspektakulär. Taylors Chorgesang bei Volleinsatz-Drumming, so gut wie etwa in der „Bohemian Rhapsody“-Studioversion? Hören und sehen. Jene unvorteilhaft oft eingeblendeten, nicht mitklatschenden, sondern sitzenbleibenden Zuschauer? Lieber nicht hinsehen. Freddie Mercury barfuß im Zugabenteil? Könnte man ansehen, aber nicht hören. Die Bassfigur John Deacons bei „Under Pressure“? Muss man gesehen und gehört haben.

Das größte Wunder aber bleibt das Wunder des Brian May. Die frühen 1980er-Jahre waren geprägt von präzis schneidenden New-Wave-Sologitarren, vorangetrieben durch Andy Summers, The Edge und Johnny Marr. Einen vollendeten Hardrock-Sound dagegen mit nur einer Gitarre zu erschaffen ist eine Kunst. Queen waren zu viert, nur zu viert. Sie klangen wie acht. Und hätten doch niemals mehr sein dürfen als nur Mercury, May, Deacon und Taylor.

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