Den Traum von der Solo-Karriere hat Steven van Zandt ausgeträumt. Sein angestammter Platz ist wieder in der E Street Band

Die Setlist macht Bruce fünf Minuten vor dem Konzert - um sie dann auf der Bühne doch wieder umzuschmeißen. Steven van Zandt

Am neunten Tag des dritten Golf-Kriegs spielen Bruce Springsteen und die E Street Band ihr erstes Konzert in Neuseeland überhaupt So nervös wie ein Buddha sieht Steven Van Zandt der noch 90 Minuten entfernten Show in Auckland entgegen, auch wenn „es lange her ist, dass wir für ein ganz neues Publikum gespielt haben“. Eine Setlist gibt es noch nicht, „die macht Bruce fünf Minuten vor dem Konzert – um sie dann auf der Bühne wieder umzuschmeißen“. Van Zandt lacht. Nur die Ouvertüre steht wohL Während patriotisch gesinnte US-Tennisstars in diesen Tagen schon mal zur Stadion-Parole „Born In The USA“ einlaufen, reicht Bruce fern der Heimat gern die quälende Akustik-Version des Songs, gefolgt von „War“, der Antikriegs-Hymne des kürzlich verstorbenen Edwin Starr, die zuletzt Mitte der 1980er fest zum Repertoire gehörte.

Auf die Implikationen politischer Symbolhandlungen muss man Van Zandt nicht hinweisen, er hat ja seine komplette Solo-Karriere als Little Steven damit bestritten. Der Hardrock-Hammer „Born Again Savage“ beendete 1999 einen Fünf-Album-Zyklus, der 1982 mit „Men Without Women“ begonnen hatte und Anfang der 90er, nach Opus No.4 („Revolution 1″), schwer ins Stocken geriet. Ohne Vertrag fiel Van Zandt in ein langes kreatives Koma, welches der Gitarrist mal mit dem schönen Hinweis umschrieb, er sei ,ja sieben Jahre nur mit dem Hund draußen“ gewesen. Nun, nicht ganz: Als Songschreiber und Produzent reichte es noch, um 1991 ganz im Stil des 78er-Album-Klassikers „Hearts Of Stone“ den „Better Days“ mit New Jersey-Barbandkumpel Southside Johnny nachzuspüren-und die „Greatest Hits“ von Boss Bruce brachten 1995 Gast-Einlagen bei den neuen Songs „Murder Incorporated“ und „This Hard Land“.

Vor seinem Ausstieg Mitte der 80er war Van Zandt neben Clarence Clemons die schillerndste Figur der E Street Band, als „Miami Steve“. „Ein bisschen schon“, antwortet er heute auf die Frage, ob sich seine Rolle nach dem Wiedereinstieg verändert habe. Als Ersatz für ihn heuerte der Boss gleich zwei Leute an – Nils Lofgren als Gitarrist, Patty Scialfa als Background-Sängerin -, und „die sind ja immer noch da“. Er habe also „weniger zu tun als früher, aber das ist okay“. Auch als Co-Produzent, als der er erstmals 1981 für „The River“ auftrat, ist Van Zandt jetzt aus dem Spiel, zumal nachdem sich zuletzt für „The Rising“ mit Brendan O’Brien erstmals ein Außenstehender als Produzent „erstaunlich problemlos eingefugt hat“, wie Van Zandt sagt. Er selbst produziere nur noch, „wenn man mich wirklich braucht Sonst halte ich mich gern raus“.

Obschon der Ausstieg damals der richtige Schritt war, sieht er seine Solo-Laufbahn durchaus kritisch. Das „künstlerische Abenteuer“ hat Van Zandt nie bereut, doch sei es „ein bisschen bescheuert und naiv“ gewesen, darauf zu vertrauen, der musikalische Zick-Zack-Kurs könne mehr sein als „Gift für eine Karriere“. Bei aller thematischen Kohärenz klängen die Alben halt „wie fünf verschiedene Künstler“. Während mit der alten Firma EMI Gespräche über Re-Releases laufen, eventuell auch als Box-Set, wird man „wahrscheinlich nie wieder eine Platte von mir hören“. Allenfalls „die definitive Garagen-Rock-Platte“ könne er sich noch vorstellen.

Wir sind bei Steven Van Zandts aktueller Berufung als DJ angelangt Ganz weich wird seine Stimme, wenn er enthusiasmiert vom Erfolg seiner Radioshow „Underground Garage“ berichtet, die im April 2002 bei 23 US-Sendern startete; inzwischen sind bei steigenden Ratings landesweit über 80 Stationen zwischen New York und LA, Dallas und Detroit dabei, wenn er von den Crystals über die Electric Prunes und die Ramones bis zu den Vines „die Essenz des Rock“ versendet „Es gibt wirklich eine neue Garagen-Rock-Bewegung da draußen“, sagt er – und verweist stolz darauf, dass etliche der rund 50 Bands, die im ersten Jahr in der „Underground Garage“ lärmen durften, nicht zuletzt deshalb Verträge bekommen hätten. Die große Nagelprobe steht indes noch bevor: Derzeit verhandelt er mit einem Sender, der die Zwei-Stunden-Show am Sonntag zum wochenfüllenden 24-Stunden-Format machen soll.

Bis dahin muss er sich damit begnügen, dass auch der Boss seinem Faible wohlgesonnen ist Vor den Springsteen-Konzerten läuft neuerdings die „Underground Garage“ (ohne Van Zandt-Talk freilich) vom Band. „Es war seine Idee; ich hätte das niemals vorgeschlagen.“ Für die TV-Serie „The Sopranos“ hingegen war er sich als Lobbyist nicht zu schade: Einer Kapelle mit dem passenden Namen The Swinging Neckbreakers verschaffte er dort schon mal einen Kurzauftritt Ginge es nach Van Zandt, könnte die populäre Serie „ewig weitergehen“. Doch seine TV-Tage als Mobster Silvio Dante sind gezählt: Unmittelbar nach der Neuseeland-Mission mit Bruce begannen die Dreharbeiten zur fünften und wohl auch letzten Staffel. Ab November hat dann auch die E Street erst mal wieder Ruh. Doch es stehen schon neue Aufgaben an: Die „Underground Garage“ auch als TV-Show ist eine Option, ein eigenes Label als kreatives Outlet für den Songschreiber und Produzenten in fremder Sache fest geplant Schlechte Zeiten für den Hund.

Der „Minister Of The Big Beat“ (O-Ton Boss) hat sein „kleines Warm-Up“ noch vor sich: Eine halbe Stunde vor Showstart haut Max Weinberg auf seine Übungs-Pads, dann sei er „bereit, da draußen verrückt zu spielen.“ Mit 52 müsse er „in Form bleiben, wenn ich Schlagzeug spielen wilL“ Also auch: täglich Aerobic, gesunde Ernährung. Für die Energieleistung in der E Street Band kann Weinberg auf der Grundlage aufbauen, die er sich schon in der zehnten Saison bei „Conan O’Brien“ holt. Als musical director ist er auch „organisierender und motivierender“ Taktgeber seiner „Weinberg Seven“ in der NBC-Late-Night-Show. Im Sommer ’93 hatte Weinberg in Manhattan O’Brien einfach an einer Ampel auf der Seventh Avenue angesprochen. Zunächst skeptisch, brauchte der Star-Talker in der doch gewährten Audition keine Minute, bis er einen Adlatus anwies: „Kauf mir diese Band!“ Vertraglich ist Weinberg fest an NBC gebunden und für die E Street-Ausflüge auf das Wohlwollen der Chefs angewiesen. „Ich bin ihnen wirklich dankbar“, sagt Weinberg. Aber Springsteen sei ja auch nicht „irgendein Musiker; das spielt schon eine Rolle in ihren Überlegungen“.

Weinberg verhehlt nicht, dass er sich nach dem zeitweiligen E Street-Aus erst bei O’Brien „als Musiker wieder fand“. Zuvor blieb seine Produktionsfirma Hard Ticket Entertainment ebenso ein kurzes Intermezzo wie die Arbeit für seinen alten Buddy „Killer“Joe Delia, der wir immerhin die ‚Veröffentlichung eines unbekannten Springsteen-Songs („Summer On Signal Hill“) verdanken.

Auch führte Weinberg für sein Buch „The Big Beat“ Interviews mit persönlichen Helden wie Charlie Watts, Ringo Starr und Elvis-Trommler DJ. Fontana. Als akustische Zugabe kompilierte er die CD „Let There Be Drums“, ausgewählte Schlagzeug-Tracks aus den 50er bis 70er Jahren. Sein Liebling in eigener Sache wurde 1980 für „The River“ aufgenommen. Weinberg: „Mein Favorit, auch live, ist nach wie vor ‚Ramrod‘. So höre ich mich gern spielen!“

Angesichts dieser Präferenz mutet es umso merkwürdiger an, dass er an anderer Stelle zu Protokoll gab, er spiele „nicht so hart, wie es aussehen mag“. „Nun, ich habe da diese spezielle Technik, den Stick kurz aus der Hand frei zu geben, wenn der Schlag trifft. Der Effekt ist, dass Felle und Becken darauf antworten. Klar, mein Spiel ist sehr intensiv, hat viel Schwung. Aber wenn der Schlag trifft, dann eher relaxed.“

Während Familienvater Weinberg New Jersey in Middletown weiter die Treue hält, residiert Garry W. Tallent schon seit Anfang 1989 in Nashville. „Alle waren neugierig, was ich da treibe, was mich dahin gebracht hat“, lacht der stille Bassist Na, was wohl: „die Musik“. Nachdem selbst die ehemalige Zukunft des Rock’n’Roll nach der „Tunnel Of Love“-Tour erst mal Vergangenheit war, sah Tallent „eine Zukunft nur für diese Americana-Geschichte“. Heute resümiert er nüchtern, dass selbst Ryan Adams nicht „der Elvis“ geworden sei, den das Genre benötige. Seinen Wechsel nach JVlusic City U.S.A“ hat Tallent indes nie bereut, gebe es dort doch „immer noch sehr viele Leute, mit denen ich viel gemeinsam habe“.

Die sind kaum im Big Country-Biz zu finden. Abseits der Music Row hat sich Tallent mit dem Moondog Studio eine solide Basis als Produzent geschaffen; anfangs betrieb er die Aufnahme-Alternative in den Suburbs gemeinsam mit Pedal Steel-Meister Bucky Baxter, bevor den der Ruf von Bob Dylan ereilte. Nach Produktionen für aa. Julian Dawson, Steve Forbert und The Delevantes hat sich Tallent ob der E Street Reunion rar gemacht; 2000 reichte es immerhin noch, um für Southside Johnny auf „Messin‘ Wim The Blues“ auch als Co-Autor zu debütieren.

„Es gab sehr wohl einige Produktionen, wo mir nur das Ergebnis gefiel“, sagt Tallent. „Wenn der kreative Prozess stockt, fangt halt die Arbeit an. Da fragst du dich schon, ob du diese Zeit nicht lieber mit deinen Kids verbracht hättest!“

In der E Street Band ist „nur das Reisen“ Arbeit für ihn. Die Bühne fordere zwar „viel Energie und Konzentration“, sei aber „immer Spaß“. Neben Clarence Clemons ist Gany Tallent das einzig verbliebene Ur-Mitglied, schon vor 30 Jahren stand er mit Bruce für „Greetings Front Asbury Park, NJ“ im Studio. Die Frage, ob die E Street Band nach der Reunion eine andere geworden sei, scheint bei ihm also richtig aufgehoben. „In vielerlei Hinsicht ja“, antwortet er. „Weil alle selbstsicherer geworden sind. Immerhin haben wir den worst case überlebt, um davon erzählen zu können (lacht). Und als wir wieder zusammenkamen, hatte jeder andere Erfahrungen als Musiker gemacht Das zeigt sich jetzt als Band. Wir kennen unser Spiel untereinander so gut, dass wir zusammen auf einem Level spielen, den wir mit anderen Leuten nie erreichen würden. Und sei es nur an Beständigkeit.“ Zu schweigen von fast grenzenloser Repertoirefreiheit. „Wir können jederzeit hunderte von Songs aus dem Hut ziehen. Neulich haben wir nach Jahren mal wieder ‚Rosalita‘ gespielt Wir können nicht jeden Abend alles spielen, jeder wird irgendwas vermissen. Aber das ist doch eigentlich ein ziemlich gutes Problem.“ joefey

Wir können nicht jeden Abend alles spielen, aber in unserem Repertoire sind mittlerweile wirklich HUNDERTE VON SONGS GARRY W. TALLENT

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