Der Gott der Liebe, 2002: Der Mann, der wieder PRINCE heißt, spricht zu seiner Gemeinde

Die Ankündigung der kurzfristig anberaumten Deutschland-Tour des Mega-Minneapolitaners klang eindeutig: „One Night Alone With Prince„. Was Anderes sollte einen erwarten als ein 44-jähriger Mini-Satyr im Leopardentanga, der sich wollüstig „When 2 R in Love“ hauchend auf einem glasen Flügel räkelt und gelegentlich mit der Zunge seine Gitarre neckt?

So viel zur Fantasie der aus den 80er Jahren übrig gebliebenen, schlicht gestrickten Mini-Appollonia. Wahre „Beautiful People“ hoffen allerdings seit Jahren auf einen intimen Abend, an dem Prince die Perlen seines Ouvres auf dem Altar des Purismus zelebriert, solo, mit Akustik-Gitarre und/ oder Piano. Wenn sie nicht längst das Interesse verloren haben an dem Künstler, der noch nicht allzu lange wieder Prince heißt und dessen selbstvermarktete Platten in Europa fast schwieriger aufzutreiben sind als seinerzeit das „Black Album“. Eine Dreiviertel-Festhalle hatte sich von der Aussicht auf einen One-Night-Alone-Stand immerhin anlocken lassen.

Und immerhin bekamen sie es nicht mit Showtreppen, Go-Go-Girls oder überdimensionierten Lotterbetten zu tun. Stattdessen: „Real Music by real musicians“, wie der Meister fast trotzig verkündet. Sonst nichts. Aber die aktuelle Besetzung seiner Band New Power Generation ist so brillant, dass man nicht einmal die schmachtenden Blicke von Wendy und Lisa vermisst und das in jedem Fahrwasser: vom psychedelischen Jazz-Rock des neuen Werkes „Rainbow Children“ bis zum Hochenergie-Funk. Den Kern dieses musikalichen Kraftwerks bildet die Hörn Section, die mit Maceo Parker, Candy Dulfer und Greg Boyer dem Pop-Halb-gott in ihrer Mitte oft genug die Show stehlen darf.

Das ist neu: Prince herrscht zwar mit der natürlichen Arroganz des ewigen Wunderkindes, aber er hat gelernt, zu teilen. Und zu geben: Erst treibt er Schabernack mit den Erwartungen: „Wer ist gekommen, um ,Purple Rain# zu hören? Oh, come on – wir haben doch nicht 1984, sondern 2002.“

Dann spielt er seinen Hymnenhit mit einem Augenzwinkern trotzdem, genau wie ein gutes Dutzend Songs aus dem unerschöpflichen Arsenal besten Fanfutters aus den Mittachtzigern. So viel Nächstenhebe hat ihren Preis – in diesem Fall handelt es sich um hoch dosierte Predigten. „Die Probleme auf dieser Welt werden schlimmer und schlimmer. Warum überlassen wir es nicht Gott, sie zu lösen?“ Vielleicht, weil wir 2002 und nicht 1984 haben?

Trotz zeitweiliger Irritationen reißt „His Royal Holiness“ alle mit – „everybody’s looking 4 the ladder, everybody wants salvation of the soul“ (1985) klingt aus 8000 Kehlen weniger nach funky people als nach waschechtem Kirchentag. Und auch der Schluss ist eindeutig: „God is love, love is God, boys and girls – God above.“

Kein Wunder, dass der Leopardentanga im Schrank blieb. Wenngleich natürlich jeder weiß, das der Narziss „Gott“ bloß als Synonym für „Ich“ verwendet.

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