Die Kunst der Reduktion: die Sängerin Bobo In White Wooden Houses

Der erste Gedanke: daß diese Musik zu schön ist Daß sie so offenkundig geliebt werden möchte, daß man sich entziehen muß. Und daß es Björk ja schon gibt. Bobo In White Wooden Houses? Das kann nicht der future sound sein, von dem wir jetzt überall lesen. Bobo kommt ja nicht aus Bristol und nicht aus Island, sie kommt aus Berlin. Hat die eigentlich etwas zu tun mit DJ Bobo?

So sollte man aber nicht denken. Wie auch der Gedanke, Bobos „Cosmic Ceiling“ sei nach dem Vorbild von Björks „Debüt“ konstruiert worden, bequem nahe liegt. Die zwei Alben von Bobo In White Wooden Houses waren noch hübsch-kontemplativer, irgendwie als „zerbrechlich“ empfundener Poesie-Pop. Seit 1993, seit „Passing Stranger“, passierten Massive Attack, Portishead und Tricky, Trance und Techno – jedenfalls für diejenigen, die nicht alles schon viel früher wissen. Am Prenzlauer Berg geschehen die Dinge sehr langsam.

„Elektrifizierte Chanteuse“, wie die Plattenfirma vorschlägt, muß Christine Hebold nun aber nicht genannt werden. Eben war sie noch das niedliche Hippie-Mädchen aus dem Osten; der Vater ein Pfarrer in der Provinz: eine Kindheit wie in einem „schrägen Film“. Und doch wie das? – „eine gute Zeit gehabt“. Glaubt auch kaum jemand in der Rückschau, daß so etwas in der DDR möglich war. Darstellungen ihrer Person findet Bobo meistens „banal, blöd, unzutreffend“ – üblicherweise vom latent begehrlichen männlichen Blick geformt, der an der Oberfläche haftet: an dem abgetragenen Pelzmantel, dem immer ein bißchen zerzausten Haar, dem mädchenhaften, bläßlichen Gesicht, den wachen Augen. Frauen bemerken: „Man sieht ja gar nicht viel“, obwohl Bobo ein Kind erwartet.

Bobo denkt an Frauen, die sich konsequenter von ihrer Rolle befreit haben, als es ihr selbst bisher möglich war: „Wenn ich in England etwas über Björk lese, dann kann ich sie schon erkennen“ – trotz der Fabeln von der trolligen, elfenhaften Kindfrau. Über Madonnas Maskeraden amüsiert sie sich einvernehmlich: So ist es ihr glasklar, daß deren Sex-Bilderbuch – wiewohl überall hechelnd aufgeblättert – so wild gekauft wurde, „weil es zu war“.

Über ihre Schwangerschaft sagt Bobo: „Es gibt Dinge, die man zuläßt.“ Zugelassen hat sie auch eine Entwicklung, die mit der Auflösung ihrer Band nicht abgeschlossen ist. Bobos ehemaliger Partner, der Gitarrist Frank Heise, erhängte sich im März. „Selbstmord aus Verzweiflung“, meldet ein Branchen-Blatt. Der Rest ist Schweigen.

„Cosmic Ceiling“ sollte als Skizze, als Vfersuch begriffen werden – Bobo weiß selbst, daß vieles unfertig geblieben ist Sie spüre „den Eigenschaften nach, die eine Musik hat“. Anders als früher „weiß ich genau, was ich hören will“. Was sie will, kann sie auch formulieren: „Noch genauer herausfiltern, Fragen offen lassen, Löcher; Dinge, die die Phantasie beflügeln.“ Daß „Männerplatten immer so komplett, so fertig“ seien, wäre zu diskutieren.

„Cosmic Ceiling“ pulsiert warm und transparent: Es ist das „weibliche Album“, das Bobo sich ausdachte. „Die Beschränkung ist das Geilste. Auf ein paar Lieder bin ich stolz, die schon richtig beschränkt sind.“ Nun muß der Hit het „Bei der letzten Platte haben sie gesagt: ,Da ist aber keine Single drauf.‘ Da habe ich gesagt: ‚Na, dann ist eben keene drauf.“

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