Die Psychedeliker Mercury Rev und Shady: Was ist schon wirklich?

Shady ist ein Monument von Mann. Er mißt mindestens ein Meter fünfundneunzig und hat riesige Hände. Sein Blick aber ist der eines Kindes. Wer mit ihm redet, kehrt unweigerlich in die Kindheit zurück. Das fängt beim Künstlernamen an: „Ein

Freund von mir hat sich früher immer ein Laken über den Kopf gezogen, rannte durch die Gegend und rief: ‚Shady!‘ So schrie er sich in Trance. Kinder erreichen diesen Zustand schnell. Und ich möchte ihn mit meiner Musik herbeiführen.“

Um diesen befreiten State ofmind zu erreichen, ist Kontakt mit der Welt nicht nötig. Für die Aufnahmen von „World“, seinem Solo-Debüt, hat der ehemalige Sänger von Mercury Rev zwar den halben Globus bereist, doch vermißt er den Erdball nicht, indem er geographische und musikalische Grenzen einander angleicht Ob er in Memphis Gene Clarks „Life’s Greatest Fool“ einspielt oder in London die Beat-Nummer „Real Ease“ – stets klingt er entrückt Der Mann, der Adressen wie Hemden wechselt, ist ein Bettkanten-Globetrotter im Stil eines home-recorcding-Artisten. Er sagt: „Die Welt ist nicht um dich herum, sie ist in deinem Kopf!“

Mercury Rev, die jetzt ohne Shady ihr drittes Album herausgebracht haben, würden das unterschreiben. Auch sie greifen auf „See You On The Other Side“ eher nach den Sternen, als daß sie das Unkraut im Vorgarten zupften. Dabei sind die verbliebenen fünf des Neo-Psychedelia-Clans durchaus seßhaft geworden. Was denn auch einer der Gründe gewesen ist, warum sich Shady von der Band verabschiedet hat Das neue Werk wurde über den Zeitraum eines Jahres in ihrem Heimatort Poughkeepsie produziert „Wir gingen immer mal wieder ins Studio, zwei läge die Woche“, berichtet Gitarrist Jonathan Donahue. Diese Arbeitsweise, sag: work in Progress, hat sich ausgezahlt. Auf „See You On The Other Side“ werden unterschiedliche Passagen einander immer wieder neu angepaßt, die Leistung liegt in der Ruhe des Arrangements. Viel organischer als zuvor fließt hier das Melodiöse des Pop in die Dissonanz des Jazz, beizeiten wummert ein warmer House-Beat. Der Vorstellungskraft sind keine Grenzen gesetzt.

Womit wir noch einmal bei Shady wären: „Ich hatte immer Probleme damit, meine Vorstellungskraft zu unterdrücken. Als ich 20 war, bin ich oft mit einem Mädchen ausgegangen. Sie war Krankenschwester und hatte viel mit Toten zu tun. Ich erzählte ihr, daß man in manchen Kulturkreisen die Leichen nicht abdeckt, da die Seele in ihnen wohnt Sie sagte: ‚Du siehst Dinge, wo keine sind.‘ Darauf ich: ‚Genau das unterscheidet uns von den Tieren.“‚ Im wirklichen Leben heißt Shady übrigens David Baker. Aber was ist schon wirklich.

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