Drachen und Falken

Der amerikanische Songwriter Mark Olson entdeckt den britischen Folk – und schreibt bereits an neuen Songs für die Jayhawks.

Mark Olson ist gerade zurückgekehrt in die kalifornische Wüste, nach Joshua Tree. Die letzte Woche hat er in Minneapolis verbracht. Bei seinem alten Freund Gary Louris. Die beiden haben Songs geschrieben für ein neues Album der Jayhawks, die Band, die sie 1985 gemeinsam gründeten und aus der Olson zehn Jahre später ausstieg, um mehr Zeit mit seiner MS-kranken Ehefrau Victoria Williams zu verbringen. Die nächsten zehn Jahre spielte er mit Williams und einigen Freunden unter dem Namen The Creekdippers Folksongs. Mittlerweile sind die beiden geschieden und seit 2008 gibt Olson wieder Konzerte mit den Jayhawks, deren alte Alben nun kurz vor der Wiederveröffentlichung stehen. Die Zeit ist also günstig für eine neue Platte.

„Als wir mit den Jayhawks anfingen, waren wir nicht besonders populär“, erinnert sich Olson. „Wir passten nicht so richtig in die Zeit mit unseren Texten und dem Country-Flair, das unsere Songs ausstrahlten. Um uns herum war überall diese laute aggressive Musik, die sie Grunge nannten. Ich habe das nie verstanden.“ Olson lacht gequält. Ihm war schon die elektrische Gitarre von Gary Louris zu laut damals. „Heute spielen die jungen Leute wieder leiser. Ganz einfach, weil es ihnen die wirtschaftliche Lage nicht mehr erlaubt, mit großem Schlagzeug und Riesenverstärkern zu touren.“

Wenn Mark Olson von „loud agressive music“ und den „younger kids“ redet, klingt er fast wie der alte Pete Seeger, dabei schätzt er das Experiment, ist im Leben und in der Kunst rastlos, ständig auf der Suche nach neuen Inspirationen und musikalischem Glück. Die Alben und Konzerte der Creekdippers waren – auch durch die Mitwirkung von Victoria Williams – in ihrer freien Form stilprägend für das, was man später Freak Folk nannte. Jetzt, wo die Naturgewalt Williams fehlt, sind Olsons Platten ein bisschen weniger abenteuerlustig, dafür aber gründlicher ausgearbeitet.

Die weiblichen Harmonien übernimmt auf dem neuen Album „Many Colored Kite“ die norwegische Sängerin Ingunn Ringvold, die Olson vor ein paar Jahren in Bergen kennenlernte. Olson verbringt seitdem viel Zeit in Skandinavien und hat dieses Jahr in einem Sommercamp sogar norwegische Literatur studiert. Im letzten Jahr waren Ringvold und Olson auf Studienreise in Südfrankreich. „Wir hatten dort einen British-Folk-Workshop bei Jon Renbourn“, erzählt Olson. „Es war herrlich. Wir saßen auf einem grünen Hügel in der Sonne und redeten die ganze Zeit über Musik. Ich habe dort unbekannte musikalische Richtungen auskundschaftet und einige neue Techniken gelernt. Und das hat sich auch auf die Songs vom neuen Album niedergeschlagen. Die Briten interpretieren den Blues ganz anders. Sie nennen das baroque folk.“

Über das seltsame tuning des neuen Songs „Beehive“ habe er lange mit Renbourn diskutiert, erklärt Olson. „Er ist da wohl Purist und fand diese Spielerei vollkommen unnötig. Aber für mich ist das einer der besten Songs, die ich je geschrieben habe.“

Durch das herrliche Streicherarrangement des italienischen Geigenvirtuosen Michele Gazich, der Olson hierzulande auch schon öfter bei Konzerten begleitete, fühlt man sich bei dem Stück gar an die Großtaten von Nick Drake mit Robert Kirby oder Harry Robinson erinnert. Der ewig Suchende Mark Olson hat sich für seinen Zwischenhalt vor dem großen Jayhawks-Comeback einen besonders schönen Ort ausgesucht.

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