Eine Hommage an Serge Gainsbourg: Bad Seeds-Musiker Mick Harvey interpretiert Chansons des großen Filous

Heute findet kein Interview statt, sondern ein Seminar. Das Thema lautet „Serge Gainsbourg -Werk und Wirkung“. Der Dozent heißt Mick Harvey und war bisher nur als Assistent des großen Gelehrten Nick Cave bekannt Damit hier keiner in Panik ausbricht: Die Bad Seeds gibt es noch, sie haben gerade ein Album mit „Murder Ballads“ zwölf Songs zum Thema Mord eingespielt, das im Januar herauskommt „Eine völlig durchgeknallte Platte, die die Leute schockieren wird“, kündigt Harvey optimistisch an. Er ist in der bekannten Bad Seeds-Uniform erschienen: Das tiefschwarze Hemd paßt wie immer perfekt zur tiefschwarzen Hose, den tiefschwarzen Socken und den tiefschwarzen Schuhen. In den letzten Monaten hat sich Harvey intensiv mit dem großen Poeten der französischen Boheme der 60er und 70er Jahre auseinandergesetzt: Jntoxicated Man“ heißt seine Tribute-Platte, auf der er 16 Stücke von Serge Gainsbourg in englischer Sprache interpretiert. Das bekannteste, der Stöhn-Klassiker Je t’aime™ moi non plus“, ist übrigens nicht dabei. „Aber das werde ich nachholen“, verspricht Mick. „Irgendwann lade ich 20 Bands zu einer Tribute-Platte ein -jede muß diesen Song spielen.“ Vielleicht ist jetzt, vier Jahre nach Gainsbourgs Tod, tatsächlich die richtige Zeit, ihn per Tribute und Bearbeitung als Popstar zu würdigen; er verdient als Minnesänger und Meister des kaputten Glamours einen Platz neben Johnny Cash, Tom Jones und Liberace. „Gainsbourg wird immer nur als Erotomane dargestellt, der er sicher auch war“, erläutert der Dozent Harvey. „Leider werden andere Seiten von ihm vernachlässigt: Viele seiner Stücke sind tragisch und dunkel, und seine Song-Lyrik ist ganz vertrackt, sie weist die merkwürdigsten Bezüge auf.“ Sicher nicht ganz einfach, die Texte ins Englische zu bringen… „Das kann man wohl sagen zumal ich kein Französisch spreche. Ich habe mir von Freunden wörtliche Übersetzungen machen lassen und daraus dann eine englische Version erstellt“ Mick Harvey hat den Anspruch, eine kongeniale Übersetzung vorgelegt zu haben und keine freie Übertragung. Tatsächlich hat Harvey aus den Chansons Songs gemacht, ohne größere Bedeutungsverluste: An entscheidenden Stellen hat Harvey Gainsbourgs Wortwitz hinüberretten können (etwa bei „69 Erotic ear“, wobei der Witz hier eher in der Zahl liegt). „Bonnie & Clyde“ wurde zum Road Movie und aus „Harley Davidson“ machte Harveys Freundin Anita Lane einen perfekten Velvet-Underground-and-Nico-Song. Irgendwie hat es Harvey hinbekommen, den luftigen Sound der Gainsbourg-Platten nachzuahmen und ihn trotzdem sanft zu modernisieren. Und weil Gainsbourg-Platten ohne die Duette mit seinen diversen Frauen (darunter Brigitte Bardot und Jane Birkin) langweilig wären, übernimmt Anita Lane deren Part auf Harveys Platte: „Wen hätte ich sonst fragen sollen?“ Harvey hegt die Hoffnung, Gainsbourg etwas bekannter zu machen. Er bietet ja gewissermaßen die saubere Lösung für alle, die Frankreich wegen der Atomtests boykotderen und trotzdem Gainsbourg-Songs hören wollen. Und wenn sie wieder Beaujolais trinken, können sie ja das Original anhören.

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